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Verhaltensforschung: Geräuschkulisse als Kompass

Zurück zu den Wurzeln – lautet die Devise für Rifffische, nachdem sie ihr Larvenstadium auf See verbracht haben. Um die heimatlichen Gefilde anzusteuern, nutzen sie offenbar einen ungewöhnlichen Wegweiser: Lärm.
Rifffisch
Wochen- oder gar monatelang entwickeln sich die Larven nahezu aller Korallenrifffische auf See, bevor sie als Jungtiere zurückkehren und die Populationen auffrischen. Auf ihrer Wanderung zieht es sie nicht zu einem beliebigen Riff. Vielmehr haben die Reisenden ihren Geburtsort im Visier, wo auch eine beträchtliche Anzahl eintrifft. Erstaunlich, denn die Larven können sich über weite Strecken verstreuen. Doch driften sie nicht passiv durch die Gewässer, sondern sind mitunter begabte Schwimmer. Ein ungelöstes Rätsel blieb bislang nur, wie sie diese Künste einsetzen, um ihre Ausbreitung zu beeinflussen.

Pomacentrus amboinensis | Wochen- oder gar monatelang entwickeln sich die Larven nahezu aller Korallenrifffische auf See, bevor sie als Jungtiere zurückkehren und die Populationen auffrischen. Auf der Abbildung ist ein Vertreter der Art Pomacentrus amboinensis aus der Familie der Korallenbarsche zu sehen.
Sollten sie gezielt Hinweise als Orientierungshilfe nutzen? Und wenn ja, welche? Als viel versprechender Kandidat gilt der Schall, denn er pflanzt sich im Wasser ungeachtet der herrschenden Strömung mit geringer Abschwächung fort. Zudem erzeugen Fische sowie Wirbellose ein – für uns unhörbares – Gezeter, das noch in vielen Kilometern Entfernung zu vernehmen ist. Ob tatsächlich Geräusche die Jungtiere zum Ziel lotsen können, überprüften Stephen Simpson von der Universität Edinburgh und seine Kollegen mit Hilfe eines Experimentes.

Im November 2003 türmten sie auf sandigen Flächen in drei bis sechs Meter tiefem Wasser am Großen Barriereriff die Trümmer toter Korallen zu 24 Riffimitationen auf. Anschließend statteten sie die Hälfte ihrer Gebilde mit Lautsprechern aus, deren Position sie von Tag zu Tag veränderten. Sechs Nächte lang ertönte an den Kunstriffen typischer Lärm, darunter Geräusche wie das Zuschnappen von Krebsscheren und das Mahlen von Fischzähnen. An den zwölf Kontrollriffen herrschte hingegen Stille. Da sich die Fische überwiegend nachts niederlassen, sammelten die Forscher sie früh am nächsten Morgen ein.

Rifffisch | Von der See heimkehrende Rifffische – hier ein Mitglied aus der Familie der Doktorfische – nutzen offenbar Geräusche wie das Zuschnappen von Krebsscheren und Mahlen von Fischzähnen, um ihren Geburtsort wiederzufinden.
Insgesamt 868 Tiere gingen ihnen ins Netz, der Großteil – 80 Prozent – zählte zu den Sonnenbarschen (Apogonidae), 15 Prozent des Fangs entfielen auf die Korallenbarsche (Pomacentridae). Rund um die Welt sind die Vertreter dieser beiden Familien Schlüsselfiguren von Fischansammlungen in Korallenriffen: Während die Sonnenbarsche hier bis zu einem Viertel aller Individuen stellen, machen die Korallenbarsche bis zur Hälfte der gesamten Fischbiomasse aus.

Und die heimkehrenden Tiere ließen sich nicht von der Geräuschkulisse unter Wasser abschrecken. Im Gegenteil: Die Angehörigen beider Familien zogen die lauten den ruhigen Riffen vor, ermittelten die Wissenschaftler. Dieselbe Vorliebe für Lärm zeigten auch weniger weit verbreitete Fische.

Sollten nicht nur Heimatklänge im Allgemeinen, sondern womöglich auch bestimmte Frequenzen eine Rolle als Navigationshilfe spielen? Um dieser Frage nachzugehen, ließen die Forscher im Dezember 2003 aus den Lautsprechern entweder hohe – über 570 Hertz – oder niedrige – unter 570 Hertz – Frequenzen des Rifflärms erklingen und verglichen die Besucherzahlen von den derart beschallten und leisen Riffen.

Das Ergebnis: Nun trafen 3111 Fische an den Riffnachbildungen ein – nahezu die vierfache Menge wie zuvor. Die Sonnenbarsche fanden sich in ungefähr gleicher Anzahl an den Stellen mit hoch- beziehungsweise niederfrequenten Tönen ein. Die Korallenbarsche fühlten sich hingegen stärker von den hochfrequenten Lauten angezogen.

"Diese Studie liefert den direkten Beweis, dass sich niederlassende Fische Geräusche nutzen, um sich zu den Riffen hin zu orientieren und diese auszuwählen", betonen die Wissenschaftler. Außerdem verwenden einige Fischgruppen für ihr Besiedlungsverhalten möglicherweise selektiv spezifische Komponenten des Rifflärms. Angesichts dieser neuen Forschungsergebnisse stellt sich die Frage, inwiefern vom Menschen verursachter Krach, beispielsweise infolge von Bohrungen nach Gas und Öl oder der Schifffahrt, die Navigation der Fische beeinflussen könnte.

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