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Ornithologie: Geruchssinn von Vögeln unterschätzt?

Der nachtaktive Kakapo
Der Geruchssinn bei Vögeln verfügt über ein ähnlich großes Potenzial und eine vergleichbare Bandbreite wie bei Fischen und Säugetieren. Das ergab eine Studie von Forschern um Silke Steiger vom Max-Planck-Institut für Ornithologie.

Im Vergleich zu anderen Tierarten wurde der Geruchssinn bei Vögeln allerdings bisher als niedrig eingestuft, obwohl Verhaltensstudien gezeigt haben, dass einige Vogelarten durchaus ihren Riechsinn zur Orientierung, Nahrungssuche oder auch zur Unterscheidung von Individuen einsetzen.

Die Forscher haben für ihre Studie einen genetischen Ansatz gewählt: Sie untersuchten Geruchsrezeptor-Gene, welche die molekulare Basis des Riechsinns bilden. Die Rezeptoren werden in den Neuronen der Riechschleimhaut ausgebildet und dienen dazu, verschiedene Duftstoffe wahrzunehmen. Derartige genetische Studien über den Vogel-Geruchssinn gab es bisher nur von Hühnern.

Größe des Riechkolbens entscheidend

Die Wissenschaftler verglichen neben dem Huhn acht weitere Vogelarten, die nicht oder nur entfernt miteinander verwandt sind. Dazu kalkulierten sie jeweils die Gesamtzahl der Geruchsrezeptor-Gene im Genom jeder Art und fanden dabei große Unterschiede zwischen den Arten. Der Streifenkiwi aus Neuseeland hat zum Beispiel fast sechsmal so viele Geruchsrezeptor-Gene wie ein Kanarienvogel oder eine Blaumeise.

Streifenkiwi | Der Streifenkiwi (Apteryx australis) war in Neuseeland stark verbreitet. Inzwischen ist er in seinem Bestand gefährdet. Zur Nahrungssuche steckt er seinen Schnabel vollständig in den Boden, um Regenwürmer, Zikaden, Fallobst oder Käferlarven aufzustöbern.
"Vergleicht man die relative Größe der Riechkolben im Gehirn, in denen die olfaktorische Information verarbeitet wird, finden sich ebenfalls große Unterschiede zwischen den Arten", sagt Steiger. "Es ist wahrscheinlich, dass die Anzahl der Geruchsrezeptor-Gene widerspiegelt, wie viele verschiedene Gerüche wahrgenommen und unterschieden werden können. So hat es uns nicht gewundert, dass die Anzahl der Gene eng gekoppelt ist an die Größe des Riechkolbens im Gehirn."

Große Schwankungen in der Anzahl von Geruchsrezeptor-Genen und Größen von Riechkolben wurden auch bei Säugetieren gefunden. Dies deutet darauf hin, dass die ökologische Nische einer Tierart das Repertoire der Geruchsrezeptor-Gene beeinflusst. Die hohe Rezeptoranzahl des Streifenkiwis erklären sich die Forscher zum Beispiel als Anpassung an dessen Nachtaktivität. Als einzige Vogelart hat er seine Nasenlöcher an der Spitze des Schnabels und nicht an seiner Basis und gibt bei der Nahrungssuche in Dunkelheit sogar Schnüffelgeräusche von sich.

Schnüffelgeräusche in der Dunkelheit

Neben der Gesamtzahl an Geruchsrezeptor-Genen kalkulierten die Forscher auch das Verhältnis an Genen, die tatsächlich funktionsfähig sind und als Geruchsrezeptor ausgeprägt sind. Denn nicht alle Gene, die in einem Genom zu finden sind, kommen auch zum Einsatz. Gene unterliegen Mutationen und können dadurch ihre Funktion verlieren. Ist der Geruchssinn für ein Tier nicht wichtig, lässt der Selektionsdruck auf die Geruchsrezeptor-Gene nach, und Mutationen können sich anhäufen. Funktionslos geworden, vererben sich die Gene trotzdem weiter. Beim Menschen zum Beispiel wird geschätzt, dass nur etwa 40 Prozent der Geruchsrezeptor-Gene funktionsfähig sind. Bei den untersuchten Tierarten fanden die Wissenschaftler jedoch weit mehr funktionsfähige Gene als für Vögel erwartet wurde. Auch dies spricht dafür, dass der Geruchssinn bei Vögeln viel wichtiger ist als bisher gedacht.

Bei den molekularen Forschungen an Hühnern wurde eine ganz neue Klasse von Geruchsrezeptor-Genen gefunden. Silke Steiger und ihre Kollegen haben nachgewiesen, dass diese Gene bei allen untersuchten Vogelarten ausgeprägt waren, nicht aber bei anderen Tieren wie Fischen, Säugetieren oder den mit Vögeln nah verwandten Reptilien. Die Funktion dieser vogelspezifischen Geruchsrezeptoren ist noch gänzlich unbekannt.

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