Hirnverletzungen: Geruchstest hilft, Bewusstsein aufzuspüren
Wenn ein Patient einen schweren Hirnschaden erlitten hat und nicht mehr oder kaum noch auf seine Außenwelt reagiert, ist es für Ärzte oft schwer zu beurteilen, ob er das Bewusstsein irgendwann wiedererlangen wird. Forscher um Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, haben einen vergleichsweise simplen Geruchstest entwickelt, der in dieser Hinsicht eine erstaunlich gute Prognosekraft zu besitzen scheint.
Die Forscher untersuchten für ihre Studie 43 Patienten, die auf Grund eines schweren Hirnschadens nicht mehr ansprechbar waren. Nach vorheriger Erklärung (auf die keiner der Teilnehmer in irgendeiner Form reagierte) hielten sie ihnen Behälter unter die Nase, die angenehme oder unangenehme Gerüche verströmten. Das konnte zum Beispiel der Duft von Haarshampoo sein – oder der Gestank von verdorbenem Fisch. Der Clou dabei: Im Normalzustand regiert das Gehirn rasch auf Gerüche und vermindert etwa die Atmung durch die Nase, wenn etwas stinkt.
Genau das maßen Sobel und Kollegen: Über eine Sonde registrierten sie, wie viel Luft die Probanden in Reaktion auf die Gerüche durch die Nase einsogen. Als Kontrollbedingung diente dabei ein Glas, das keinen Duft verströmte. Anhand dieser Daten konnten die Forscher tatsächlich extrem zuverlässig zwischen Patienten unterscheiden, die sich in einem vegetativen Zustand befanden, also zwar noch grundlegende Reflexe, aber keine Anzeichen von Bewusstsein mehr zeigten, und solchen, die sich in einem Zustand minimalen Bewusstseins befanden und zu denen zumindest eingeschränkt noch äußere Reize durchdrangen. Teilnehmer mit minimalem Bewusstsein sogen dabei grundsätzlich weniger Luft ein, wenn sie mit Gerüchen, ganz gleich ob gut oder schlecht, konfrontiert wurden.
Wer auf Düfte reagierte, dessen Zustand besserte sich
Insgesamt zeigten alle Teilnehmer, die auf die Geruchsproben reagierten, in den folgenden Monaten und Jahren Verbesserungen ihres Bewusstseinszustands oder erlangten das Bewusstsein sogar gänzlich wieder zurück, wie die Autoren im Fachmagazin »Nature« schreiben. Nach dreieinhalb Jahren waren 91 Prozent dieser Patienten nach wie vor am Leben. In der Gruppe jener, die keine Regung im Hinblick auf die Gerüche gezeigt hatten, starben hingegen mehr als 60 Prozent.
Sollten sich diese Ergebnisse in weiteren Untersuchungen bestätigen, könnte der Test Ärzten vielleicht künftig dabei helfen, bessere Prognosen für Patienten mit schweren Hirnschäden zu stellen. Aktuell, so schreiben die Forscher, würden Mediziner in rund 40 Prozent aller Fälle den Bewusstseinszustand der Betroffenen falsch bewerten.
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