Geschmackssinn: Haie schmecken Bitteres wie Menschen
Bittere Lebensmittel schmecken schon seit 500 Millionen Jahren bitter. Denn Haie, die seit dieser Zeit von uns getrennt evolvieren, haben sehr ähnliche Bitterrezeptoren in der Schnauze wie wir Menschen. Das berichten nun Maik Behrens und Tatjana Lang vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München sowie Sigrun I. Korsching von der Uni Köln anhand von genetischen und biochemischen Untersuchungen. Wie sie in der Fachzeitschrift »PNAS« schreiben, enthalten 12 der 17 untersuchten Knorpelfisch-Genome ein Gen für diesen Rezeptor, und das Protein reagiert auf für Menschen bitter schmeckende Stoffe wie das Medikament Colchicin. Das zeige, dass die Fähigkeit, Bitteres zu schmecken, in der gesamten Evolution der Wirbeltiere erhalten geblieben sei, schließt das Team.
Bitterstoffe signalisieren oft giftige oder unbekömmliche Lebensmittel; sie wahrzunehmen ist deswegen eine durchaus sinnvolle Anpassung. Menschen zum Beispiel haben rund 25 dieser Rezeptorgene, und sogar Quastenflosser, sehr urtümliche Knochenfische, besitzen eng verwandte Bitterrezeptoren. Bei Knorpelfischen wie Haien und Rochen, der Schwesterlinie von Knochenfischen und den von ihnen abstammenden Landwirbeltieren, waren solche Rezeptoren jedoch noch nicht bekannt. Das war lange Zeit rätselhaft, denn es würde bedeuten, dass frühe Wirbeltiere diesen Rezeptor nicht hatten, der neben der Geschmackswahrnehmung auch eine wichtige Rolle als Stoffwechselsensor übernimmt.
Nun zeigt sich allerdings, dass diese Lücke technische Gründe hatte. Viele Knorpelfische haben sehr große Genome, was es lange Zeit schwierig machte, sie zu sequenzieren und zu untersuchen. Erst seit wenigen Jahren stehen vollständige Erbgutdaten dieser Tiere zur Verfügung; so wurde erst 2021 das Genom des Walhais vollständig entschlüsselt. Das Team um Behrens untersuchte nun 17 solcher neu sequenzierter Genome auf Versionen von T2R-Genen – und wurde fündig. Demnach haben Haie und Rochen einen solchen Rezeptor, nur die verwandten Seekatzen nicht.
Um herauszufinden, ob der Rezeptor bei diesen Tieren auch bittere Stoffe wahrnimmt, übertrug die Arbeitsgruppe die T2R-Gene von Bambushai (Chiloscyllium plagiosum) und Katzenhai (Scyliorhinus canicula) auf Zellkulturen und untersuchte ihre Reaktion auf insgesamt 96 für Menschen bitter schmeckende Stoffe. Die Rezeptoren reagierten auf elf davon. Die stärksten Signale erzeugte der Stoff Amarogentin, der auch für Menschen einer der bittersten Stoffe überhaupt ist. Diese Übereinstimmung ist bemerkenswert, denn auf welche Stoffe Geschmacksrezeptoren reagieren, schwankt normalerweise extrem stark im Verlauf der Evolution. Dass ein beträchtlicher Teil des Bitter-Spektrums in den 500 Millionen Jahren seit dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Hai erhalten geblieben ist, verdeutlicht die große evolutionäre Bedeutung dieses chemischen Sensors.
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