Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft: Gestatten, Sciamachy
Berge und Täler sind zentimetergenau vermessen, es gibt gestochen scharfe Karten von Algenblüten, und wir wissen, wie sich tagtäglich im Watt die Prile verändern: "Satellitendaten" heißt das Zauberwort. Sie zeigen uns auch, wie sich Treibhausgase in der Atmosphäre verteilen.
![Envisat im Orbit Envisat im Orbit](https://static.spektrum.de/fm/912/f2000x857/139928.jpg)
© Esa (Ausschnitt)
"Und hier sehen Sie die korrigierten und neu berechneten CO2-Werte für die letzten drei Jahre"
(Michael Buchwitz)
"Und hier sehen Sie die korrigierten und neu berechneten CO2-Werte für die letzten drei Jahre…", Michael Buchwitz von der Universität Bremen blickt erstaunt Richtung Wandschirm. Denn dort herrscht gähnende Leere. Gerade als er sich anschickt, frisch ausgewertete Daten vom europäischen Umweltsatelliten Envisat zu präsentieren, streikt die Technik. (Michael Buchwitz)
© Esa (Ausschnitt)
Envisat während der Bauphase | Bauphase: Seit etwas mehr als drei Jahren überfliegt der mit 2,3 Milliarden Euro teuerste Satellit der Esa-Geschichte jeden Ort im Abstand von ungefähr 35 Tagen.
In nur hundert Minuten umkreist der Satellit einmal die Erde, sodass seine Atmosphärensensoren innerhalb weniger Tage die gesamte Erdatmosphäre vollständig erfassen können. Wie sammelt dabei das Satelliteninstrument eigentlich seine Daten?
"Wir nutzen das, was wir immer und kostenlos kriegen"
(Michael Buchwitz)
"Wir nutzen das, was wir immer und kostenlos kriegen", sagt Buchwitz, "nämlich das Sonnenlicht". Denn Sciamachy registriert die von der Lufthülle und der Erdoberfläche zurück gestreuten und reflektierten Strahlen. (Michael Buchwitz)
© Universität Bremen, Institut für Umweltphysik (Ausschnitt)
Nadir Geometrie | Nadir-Geometrie: Sciamachy blickt senkrecht durch die Atmosphäre auf die Erde.
© Universität Bremen, Institut für Umweltphysik (Ausschnitt)
Limb-Geometrie | Limb-Geometrie: Sciamachy guckt tangential an der Erde vorbei.
© Universität Bremen, Institut für Umweltphysik (Ausschnitt)
Okkultationsmessungen | Den Mond- und Sonnenaufgang beobachtet Scimachy ebenfalls entlang des Randes der Erde. Jetzt schauen seine Sensoren allerdings direkt auf die Sonne beziehungsweise den Mond.
Die Detektoren schließlich wandeln die Intensitäten der auftreffenden Lichtwellen in elektrische Signale um. Doch schon allein dadurch, dass sie eingeschaltet sind und arbeiten, stören die Detektoren die Messung durch so genanntes "Dunkelstromrauschen". Besonders viel Wärme entsteht durch die Detektorelektronik, und auch die Sonne heizt den Satelliten auf. Trotzdem es im All sehr kalt ist, muss eine separate Kühleinheit die Empfänger auf minus 45 bis minus 123 Grad Celsius abkühlen, um die Störwerte zu unterdrücken.
© Universität Bremen, Institut für Umweltphysik (Ausschnitt)
Wellenlängenspektrum | Wellenlängenspektrum von Gome und Sciamachy
Interessant ist die große Bandbreite, weil die Luft je nach Zusammensetzung bestimmte Wellenlängen mehr oder weniger aus dem Sonnenlicht herausfiltert. Kohlendioxid zum Beispiel absorbiert Infrarot mehrer Wellenlängen – Sciamachy misst das Gas zum Beispiel bei 1600 Nanometern. Je mehr von dem Treibhausgas in der Luft ist, desto weniger Licht dieser Wellenlänge kommt beim Satelliten an. Auf diese Weise unterscheidet der Umweltspäher zig Stoffe und kartografiert die Chemie der Erdatmosphäre bis auf den Erdboden herunter.
© Universität Bremen (Ausschnitt)
Kohlendioxidverteilung auf der Nordhalbkugel | Kohlendioxidkonzentrationen über der Nordhalbkugel von 2003
"Wir haben Sciamachy allerdings nicht entwickelt, um in Kyoto-Zeiten den mahnenden Zeigefinger zu heben", so Buchwitz, "sondern wir machen Grundlagenforschung." Dazu werden die neuesten Daten wieder wichtige Bausteine liefern.
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