Evolution: Schimpansen-Gestik ähnelt menschlicher Sprache
Wenn Menschen miteinander sprechen, werfen sie sich rasant »die Bälle zu«: Der eine sagt etwas, der andere reagiert darauf und so weiter. Auch sind gegenseitige Unterbrechungen die Regel. Die Zeit dazwischen beträgt im Schnitt 200 Millisekunden – ein Wert, der über die Kulturen hinweg relativ konstant ist. Ein Team um die Primatologin Catherine Hobaiter von der University of St Andrews in Schottland berichtet nun, dass Schimpansen von Angesicht zu Angesicht in ähnlicher Zeitstruktur miteinander per Gesten kommunizieren.
Bei vielen Tieren findet der wechselseitige Informationsaustausch über mehr oder weniger große Distanzen statt, etwa in Form von Kontaktrufen. Eine Ausnahme stellt die gestische Kommunikation bei Menschenaffen dar. Um diese genauer zu untersuchen, sammelten Hobaiter und ihre Kollegen den bisher größten Datensatz an Schimpansen-Gesprächen aus fünf wilden Gemeinschaften von Pan troglodytes schweinfurthii in Ostafrika.
© Gal Badihi
Geste zu Geste
Schimpansen tauschen nach einem Konflikt Gesten aus. Monica (links) greift nach Ursus (rechts), der daraufhin ihre Hand berührt.
Bei 14 Prozent der dokumentierten Interaktionen gestikulierten zwei Individuen miteinander. Dabei legten sie ein ähnliches Timing an den Tag wie menschliche Gesprächspartner, mit kurzen Pausen von etwa 120 Millisekunden zwischen einer Geste und einer Antwort. Die Ähnlichkeit zu menschlichen Unterhaltungen spricht laut den Autoren für einen echten Austausch, bei dem die Gesten von denen der vorherigen Runde abhängen. Es offenbarten sich ebenfalls feine Unterschiede zwischen den Populationen: »Faszinierenderweise scheinen sie sowohl unser universelles Timing als auch subtile kulturelle Unterschiede zu teilen«, sagt Hobaiter. »Beim Menschen sind es die Dänen, die ›langsamer‹ antworten, und bei den östlichen Schimpansen ist es die Sonso-Gemeinschaft in Uganda.«
Die beobachteten Übereinstimmungen deuten darauf hin, dass Mensch und Schimpanse ähnliche Grundregeln der Kommunikation haben. Eventuell gehe dies auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Es könne aber auch sein, dass beide Spezies einfach ähnliche Strategien entwickelt haben, um soziale Interaktionen möglichst effizient und Energie sparend zu gestalten. In künftigen Studien will die Arbeitsgruppe daher verwandtschaftlich weiter entfernte Arten untersuchen. »So können wir herausfinden, ob es sich um ein Merkmal der Menschenaffen handelt oder um eines, das wir mit anderen sehr sozialen Arten wie Elefanten oder Raben teilen«, erklärt Hobaiter.
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