News: Gesunder Mix aus Jung und Alt
Die Isolation ist für gefährdete Arten besonders gefährlich, denn ohne Austausch geht die genetische Vielfalt verloren und damit schwindet die Fähigkeit, sich an Umweltveränderungen anzupassen, lehrt die Naturschutzbiologie. Eine fatale Entwicklung für Arten, die ohnehin ums Überleben kämpfen. "Wie schnell die genetische Erosion in der Natur abläuft, ist allerdings kaum untersucht worden, besonders bei Tieren mit hoher Lebensdauer und einer komplexen sozialen Struktur wie den Berberaffen", sagt Franziska Botte-von Segesser. Sie ist dieser Frage in ihrer Dissertation nachgegangen, die sie kürzlich abgeschlossen hat.
Botte-von Segesser hat für ihre Untersuchungen Marker verwendet, die auch in der Gerichtsmedizin oder bei Vaterschaftstests zur Anwendung kommen – sogenannte Mikrosatelliten. Es handelt sich dabei um Wiederholungen kurzer, sinnloser Abschnitte der Erbsubstanz, die keinerlei Informationen zur Bildung von Proteinen tragen, wie es die Gene tun. Da sie relativ schnell mutieren, gibt es viele verschieden lange Kopien von Mikrosatelliten. Die Längenunterschiede werden sichtbar, wenn man die Mikrosatelllten isoliert und sie in einem elektrischen Feld auftrennt. Anzahl und Häufigkeit der einzelnen unterschiedlich langen Kopien sind ein Maß für die genetische Vielfalt.
Das Ergebnis überrascht: Die genetische Vielfalt unter den Berberaffen ist nicht kleiner als bei anderen Tierarten, obwohl die Gruppen nach Schätzungen der Forscher seit Dutzenden von Generationen voneinander abgeschnitten sind. "Berberaffen haben – wie andere Tierarten auch – überlappende Generationen. Das verlangsamt den Verlust der genetischen Vielfalt", erklärt sich Botte-von Segesser das Resultat. Bei überlappenden Generationen können sich junge und ältere Tiere verpaaren. Damit vergrößert sich der Pool der Gene, aus dem die nächste Generation schöpft. "Außerdem fördert die Fortpflanzungsweise der Berberaffen die genetische Diversität: Sie sind sehr promiskuitiv. Im Gegensatz zu anderen Primaten, bei denen ein einziges Männchen die Fortpflanzung dominiert, sind bei den Berberaffen viele verschiedene beteiligt", erzählt Franziska Botte. Auch kleine, isolierte Gruppen von nur fünfzig oder zweihundert Berberaffen sind nach den Ergebnissen der Forscherin nicht genetisch ärmer als Populationen aus mehreren Tausend Tieren. "Das Resultat zeigt, daß die genetische Erosion nicht sofort einsetzen muß und daß auch kleine Populationen einen wertvollen Beitrag zur genetischen Vielfalt einer Art leisten können. Man sollte sie deshalb nicht leichtfertig aufgeben."
Trotzdem hat die Isolation genetische Spuren hinterlassen. Verschiedene Gruppen haben sich stark voneinander weg entwickelt. Früher hat man angenommen, daß es zwei Untergruppen gibt, eine algerische und eine marokkanische. Die genetische Analyse hat aber gezeigt, daß die Unterschiede zwischen den algerischen Gruppen heute fast ebenso groß sind wie jene zu den marokkanischen Berberaffen. "Dies sollte bei Wiederansiedelungsprojekten in Betracht gezogen werden. Möglicherweise ist eine Vermischung von genetisch stark verschiedenen Gruppen für die Gesundheit der Tiere nachteilig", sagt Franziska Botte.
Ein weiterer Vorteil der Berberaffen sind die vorhandenen Zoopopulationen und die Gruppe auf Gibraltar. An ihnen lassen sich die Auswirkungen des menschlichen Einflusses studieren. So ist die Affenschar auf Gibraltar im Zweiten Weltkrieg – auf Anweisung von Winston Churchill persönlich – mit Wildfängen aufgestockt worden, weil sie kurz vor dem Aussterben stand. Seit die Sage geht, die Tiere hätten die britischen Truppen einst vor einer spanischen Invasion gewarnt, hüten die Briten ihre zutraulichen Mitbewohner auf Gibraltar wie ihre Augäpfel. Jahrelang haben sie die Affengruppe auf gut dreißig Tieren gehalten und ihnen nur ein einziges fortpflanzungsfähiges Männchen belassen. Zwar hat sich das auf die genetische Vielfalt (noch) nicht ausgewirkt – aber die Daten lassen auf Inzucht schließen – wie auch in anderen untersuchten Zoopopulationen, wo Männchen entfernt und Weibchen sterilisiert wurden. "Am besten wäre es, wenn die Gruppen nur wenige Generationen lang in Gefangenschaft blieben und man versuchen würde, die Gruppenzusammensetzung so natürlich als möglich zu halten", empfiehlt deshalb Franziska Botte-von Segesser. Um die genetische Vielfalt zu erhalten, dürfte man nicht einfach einzelne Tiere entfernen oder sterilisieren, sondern man müßte allen ermöglichen, sich einmal fortzupflanzen. Ein genetisches Monitoring und Management wären die Voraussetzung dafür.
Trotz den hoffnungsvollen Resultaten sieht die Anthropologin keinen Grund, sich zurückzulehnen. "Das ganze genetische Management bringt nichts, wenn der Lebensraum und die natürliche Dynamik der Gruppen nicht geschützt werden. Dafür müssen die lokale Bevölkerung, die Holzkonsumenten und die Touristen einen Beitrag leisten.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 25.10.1998
"Schönheit macht das Leben leichter"
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