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News: Gesundes aus Wald und Flur

Die Liste der Zutaten bei Lebensmitteln liest sich in einigen Fällen wie die Packungsbeilage eines Medikaments. Dass die Lebensmittelindustrie bei neuen Zusätzen über Fantasie verfügt, zeigte eine Tagung des Regionalverbandes Süd-West der Lebensmitteltechnischen Gesellschaft in Karlsruhe. Es muss nicht immer Gentechnik sein - auch Pflanzenfasern, gewonnen etwa aus Stroh, können die Verdauung der Konsumenten anregen.
Ballaststoffe der anderen Art zückt Lebensmittel-Ingenieur Bernhard Noll aus seinem mobilen Musterkoffer: "Hierbei handelt es sich etwa um eine Weizenfaser in granulierter Form, die als Beimischung für Müslis gedacht ist." Doch auch Apfelfaser-Flocken und Hafer-Fasern kann Noll anbieten. Die Konzentrate, Granulate und feinen Pulver lassen nicht mehr erkennen, um welches Pflanzenmaterial es sich ursprünglich handelte – wie etwa bei der Weizenfaser, die aus schlichtem Stroh gewonnen wurde.

"Zwar könnten Weizenfasern auch aus Kleie isoliert werden, doch wir gewinnen sie aus Strohhalmen und ausgedroschenen Ähren, in denen diese Ballaststoffe schon in hochkonzentrierter Form vorkommen. Anschließend erhalten wir einen wässrigen Aufschluss, der getrocknet und vermahlen wird", berichtet Noll. Die Lebensmittelindustrie setzt das Pulver schließlich diversen Produkten zu – nunmehr bereits seit acht Jahren, so Noll. Kaum ein Verbraucher ahnt indes, dass er mit bestimmten Lebensmitteln auch feingemahlene Stroh-Bestandteile schluckt, weisen die Etiketten doch vieldeutig auf "Weizenfasern" oder "Weizenpflanzen-Fasern" hin. "Derartige Ballaststoffe landen etwa in Fruchtsäften, diversen Brotsorten und auch Frikadellen", resümiert der Lebensmittel-Ingenieur.

Kein Vortrag wurde in Karlsruhe so kontrovers diskutiert wie der von Noll. Zwar schließt auch die Lebensmittelüberwachung aus, dass mit dem Verzehr der Stroh- Fasern gesundheitliche Risiken verbunden sind. Im Gegenteil: Ballaststoffe, auch jene aus Weizenhalmen, fördern die Verdauung. Überdies achten die Bundesbürger im Schnitt immer noch zu wenig auf den Ballaststoffgehalt in ihrer Nahrung. Umstritten ist dagegen, ob Pflanzenfasern als Lebensmittel oder zulassungspflichtige Zusatzstoffe deklariert werden müssen. Während der Hersteller die Strohfasern als Lebensmittel einstuft, herrscht auf Seiten der amtlichen Lebensmittelchemiker dagegen die Meinung vor, das Halm-Konzentrat sei nach aktueller Rechtslage als Zusatzstoff aufzufassen. Folglich vertreibe Nolls Firma ein nicht zugelassenes Produkt, befand ein Koblenzer Lebensmittelrechtler in Karlsruhe.

Auch Bernhard Noll räumt ein, man bewege sich in einer Grauzone. Ernährungsphysiologisch besteht dagegen heute schon Klarheit: "Es ist zwar möglich, den persönlichen Ballaststoff-Bedarf durch reine Vollkornprodukte abzudecken, doch geht in der Bundesrepublik der Konsum an solchen Lebensmitteln weiter zurück." Mit Hilfe von Pflanzenfasern könnten dagegen auch "ungesunde", ballaststoffarme Erzeugnisse aufgewertet werden – ohne den "Beigeschmack" bewusster Bio- Ernährung.

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