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News: Gesundheitsfördernder Untermieter

Tropische Regenwälder sind warm, feucht und alles andere als keimfrei - unter diesen Bedingungen gesund zu bleiben oder Krankheiten schnell Herr zu werden, ist daher eine ständige Herausforderung für alle Lebewesen von Mensch bis Moos. Kakaopflanzen können sich hierfür auf ihre pilzigen Untermieter verlassen.
Ein junges, noch leicht gerötetes Blatt einer Kakaopflanze spitzt erstmals in die Sonne. Frisch und unberührt beginnt es sein Leben im Dickicht des tropischen Regenwaldes – und bleibt nicht lange einsam: Allein Zehntausende Pilzsporen prasseln gleich am ersten Tag auf es ein. Schnell bildet sich hinter seinen grünen Wänden eine bunte Wohngemeinschaft, die im luftigen Gewebe des Schwammparenchyms ein bequemes Dasein fristet.

Die Pflanzen scheinen sich an vielen ihrer Untermieter nicht zu stören, denn sie zeigen keine äußeren Krankheitserscheinungen. Und die Pilze ihrerseits erhalten vielleicht Kost, auf jeden Fall aber Logis von ihren grünen Hausbesitzern. Ein pures Nebeneinanderher, bei dem sich die Partner respektieren, und das war's?

Keineswegs, berichten Elizabeth Arnold von der University of Arizona in Tucson und ihre Kollegen. Es steckt weit mehr dahinter, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Denn die unterschiedlichen Lebensgenossen vereint ein überlebenswichtiges Ziel: der Kampf gegen Krankheitserreger.

Die Wissenschaftler untersuchten zunächst Kakaoblätter quer durch die panamaischen Regenwälder und ermittelten dabei eine verblüffende Vielfalt und Dichte der pilzigen Mitbewohner, insbesondere in älteren Blättern: Hier traten sie überall auf, während sie in jüngeren Exemplaren teilweise fehlten. In einem nur 32 Quadratmillimeter winzigen Stückchen – das sind weniger als fünf Prozent der gesamten Blattfläche – fanden sich bis zu 13 verschiedene solcher endophytischen Pilzgruppen. Und je älter das Blatt, desto reichhaltiger die Untermieter-Wohngemeinschaft.

Dann züchteten die Forscher um Arnold junge Kakaopflanzen heran, die sie sorgfältig vor Sporen schützten, sodass die luftigen Zimmer für Pilzbewohner vorerst leer blieben. Erst nach einigen Tagen gönnten die Wissenschaftler einigen Blättern kontrolliert einziehende Gesellschaft, während sie den anderen die Vermieterfreuden weiterhin verwehrten. Und wiederum wenige Tage darauf war der Zeitpunkt gekommen für die große Herausforderung: Sie konfrontierten die Kakaoblätter mit einem sehr unangenehmen Besucher, dem Blattfäule auslösenden Pilz Phytophthora.

Nun zeigte sich die helfende Hand der mikroskopischen Untermieter in ihrem ganzen Ausmaß: Blätter im leerem Schwammparenchym starben beinahe dreimal häufiger an den Folgen der Infektion als ihre Nachbarn mit Pilzunterstützung, bei denen auch die Schäden durch Nekrosen, also Flecken abgetöteten Gewebes, sehr viel eingeschränkter ausfielen. Dabei zeigte sich der Nutzen bei den älteren Blättern um einiges deutlicher als bei jungen. Da diese aber sowieso noch umfangreicher mit anderen Antipilzmitteln ausgestattet sind, die im Laufe des Alterns eingespart werden, konnten sie den Keimen trotzdem einiges entgegensetzen.

Die erfolgreiche Bekämpfung blieb dabei auf jene Regionen der Blätter beschränkt, welche die Wissenschaftler zuvor mit den Untermieter-Pilzen gezielt versorgt hatten: Der Krankheitserreger fand seinen Meister also offenbar nicht in den anderen Abwehrmethoden der Kakaoblätter, sondern in den Gegenspielern aus seinem eigenen Reich.

Eine ähnliche Handreichung kannten Forscher bereits von manchen Grasarten, bei denen die Untermieter dem Nachwuchs allerdings von der Mutter mitgegeben werden und nicht eigenständig einwandern wie im Falle der Kakaoblätter. Da sich derartige Pilzuntermieter mit ungeklärter Aufgabe bisher nicht nur in Kakao, sondern in allen untersuchten höheren Pflanzen fanden, sind Arnold und ihre Kollegen womöglich einem neuen Wechselspiel von Pflanzen und Pilzen auf die Spur gekommen, dessen Bedeutung bisher weit unterschätzt wurde – und die vielleicht die Lehrbuchkapitel über andere positive Beispiele ähnlicher Wohngemeinschaften wie Mykorrhizae oder Knöllchenbakterien in Leguminosen zukünftig ergänzen werden.

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