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News: Getrennt im Einklang

Sie leben auf derselben Insel und begegnen sich doch nie: die Moschusochsen im Nordosten Grönlands und die Rentiere im Westen. Und obwohl sie sich völlig fremd sind, verknüpft das Klima als festes Band ihre jeweilige Populationsentwicklung.
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Nur ein knappes Fünftel der größten Insel der Welt – Grönland – ist nicht von Eis bedeckt. In diesem Lebensraum von immerhin über 400 000 Quadratkilometern leben zahlreiche Tiere und Pflanzen, die bestens angepasst sind an die arktischen Verhältnisse. Dazu gehören auch die Rentiere (Rangifer tarandus) und Moschusochsen (Ovibos moschatus), deren Bestandsentwicklung schon seit Jahrzehnten aufgezeichnet wird.

Für Eric Post von der Pennsylvania State University und Mads Forchhammer von der University of Copenhagen ideale Voraussetzungen, um die Populationsdynamik von zwei Arten zu vergleichen, die ähnliche Ansprüche und Lebensweisen haben, sich jedoch nie begegnen: Ein riesiger Eisschild trennt die Verbreitungsgebiete der Rentiere im Westen von dem der Moschusochsen im Nordosten. Sie konkurrieren daher nicht um Nahrung oder werden vom selben Räuber bedroht – ihre Lebensgemeinschaften sollten sich also völlig unabhängig voneinander entwickeln.

Wäre da nicht das Klima, das auch in Grönland ganz entscheidend von der Nordatlantik-Oszillation (NAO) bestimmt wird. Ist im Winter der Luftdruckunterschied zwischen Islandtief und Azorenhoch stark ausgeprägt, wird es im Westen Grönlands klirrend kalt, während der Osten – und auch wir in Mitteleuropa – mildere Temperaturen erleben. Im entgegengesetzten Fall, also einem geringen Druckgefälle, kehren sich auch die Temperaturverhältnisse um: Im Westen der Insel herrschen vergleichsweise hohe Temperaturen, während nun im Osten die Kälte zuschlägt.

Als die Forscher nun die langjährigen Aufzeichnungen über sechs Rentier- und fünf Moschusochsen-Herden verglichen, stellten sie eine ausgeprägt synchrone Entwicklung innerhalb der Arten fest. Insbesondere nach einem kalten Winter stimmte die Populationsdynamik der einzelnen Herden einer Art wohl deshalb weitgehend überein, weil die Sterblichkeitsrate von Jungtieren dann erhöht ist beziehungsweise die Zahl der Nachkommen vom Futterangebot abhängt, das nach einem strengen Frost eher mager aussieht.

Weitaus verblüffender ist jedoch, dass die Entwicklung in jeweils zwei Herden verschiedener Arten viel enger statistisch zusammenhängt als die Populationsdynamik von zwei Gruppen derselben Art: Sobald sich die Nordatlantik-Oszillation ähnlich stark auf das jeweilige Auf und Ab der Lebensgemeinschaften auswirkte, stimmten die Schwankungen zwischen Herden verschiedener Arten besser überein als zwischen Herden derselben Art – und das trotz über 1000 Kilometer Distanz.

Die Forscher vermuten, dass kleinräumige Unterschiede in den lokalen Klimabedingungen und der Einfluss von Wanderbewegungen die größeren Abweichungen zwischen Herden derselben Art ergeben, während die starke Überstimmung zwischen Rentier- und Moschusochsengruppen allein den Einfluss des großräumigen, von der Nordatlantik-Oszillation bestimmten Klimas widerspiegelt.

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