Gammastrahlenausbrüche: Gewaltigste Explosionen geben Rätsel auf
Daten von der chinesischen Raumstation Tiangong-2 bescheren Astrophysikern ein neues Puzzlestück bei der Entschlüsselung der gewaltigsten Explosionen im Universum. Diese Gammastrahlenausbrüche (englisch: Gamma-ray bursts) setzen binnen Sekunden so viel Energie frei wie unsere Sonne im Verlauf von Milliarden von Jahren. Sie gehen unter anderem auf kollabierende Riesensterne zurück, so genannte Hypernovae.
Was die Modellierung der gewaltigen Ereignisse am Computer angeht, sind aber noch viele Frage offen. Etwa die, wie sich die ultraheiße Materie zu Beginn einer Hypernova-Explosion genau bewegt und wie daraus große Mengen sehr energiereicher Gammastrahlen entweichen können. Die Messdaten von der chinesischen Raumstation würden nun zur Herausforderung für einige populäre Modelle, berichtet ein internationales Forscherteam um Shuang-Nan Zhang von der chinesischen Akademie der Wissenschaften im Fachmagazin »Nature Astronomy«.
Demnach weisen fünf zwischen September 2016 und März 2017 aufgezeichnete Gammablitze eine deutlich geringere Polarisation auf als erwartet. Gemeint ist, dass die Lichtwellen vergleichsweise wahllos in der senkrecht zu ihrer Ausbreitungsrichtung orientierten Ebene oszillieren. Bei starker Polarisation ist die genaue Orientierung der Schwingung hingegen klar festgelegt.
Nicht so bei den fünf Gamma-ray Bursts, die das schweizerisch-polnisch-chinesische POLAR-Messinstrument an Bord von Tiangong-2 aufgefangen hat: Hier lag der Polarisationsgrad nur zwischen vier und elf Prozent, schreiben die Forscher. Die Astrophysiker meinen in ihren Daten auch erkennen zu können, dass sich die Polarisation im Lauf der einzelnen Ausbrüche verändert hat.
Beides passe nicht so gut zu bisher populären Theorien für den Ablauf eines Hypernova-Gammastrahlenausbruchs: Diese sehen vor, dass Materie in den ersten Sekunden in zwei schmalen, gegenläufigen und insgesamt homogenen Jets ins All gefeuert wird. In diesem Fall würden Elektronen im Umfeld der Jets aber vor allem brav recht geordneten Magnetfeldern folgen und so genannte Synchrotronstrahlung abgeben, die stark polarisiert ist.
Die POLAR-Daten ließen sich hingegen besser erklären, wenn die Jets weniger geordnet ins All schießen und möglicherweise eine kompliziertere Struktur aufweisen, kommentiert der nicht an der Arbeit beteiligte Japaner Daisuke Yonetoku von der Universität Kanazawa in einem Begleitkommentar. Auch Magnetfelder, die rasch schwächer werden und ihre Richtung ändern, könnten den geringen Polarisationsgrad des Gammalichts erklären. Um diese oder andere Erklärungen zu überprüfen, müssten aber weitere Daten her: Bisher seien einfach bei zu wenigen Gammablitzen Polarisationsdaten gesammelt worden.
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