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Rosettas Komet: Gewaltsame Lösung für Tschuris Sauerstoff-Rätsel

Sauerstoff ist im Sonnensystem - außerhalb der Erde - extrem selten. Warum hat der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko dann so viel davon?
Komet 67P am 4. Mai 2015

Einer der mysteriösesten Befunde der Rosetta-Mission ist vermutlich erklärt. Die ESA-Sonde, die von August 2014 bis September 2016 den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko aus nächster Nähe untersuchte, fand in der Gashülle um den Kometen große Mengen molekularen Sauerstoffs. Das Gas erreichte in einigen Messungen bis zu einem Zehntel der Menge an Wassermolekülen – und die machen vermutlich den Großteil der Kometenmasse aus. Lange rätselten Fachleute, wie sich das im Weltall seltene O2 ausgerechnet auf dem kleinen Eisbrocken angesammelt hatte. War es ein Überrest aus der Urwolke des Sonnensystems?

Nun zeigen Yunxi Yao und Konstantinos P. Giapis vom California Institute of Technology in einer Serie von Experimenten, dass die Sauerstoffmoleküle vermutlich frisch entstanden, und zwar ausgesprochen gewaltsam. Wie die beiden Forscher berichten, entsteht der Sauerstoff dabei in einer so genannten Eley-Rideal-Reaktion – einem exotischen Typ chemischer Umsetzung, mit der sich nur wenige Fachleute befassen. Dabei treffen Moleküle mit großer Energie auf eine Oberfläche und reagieren dabei mit anderen Molekülen, während sie wieder zurückprallen. Die beiden Forscher zitieren Rosetta-Ergebnisse, nach denen Wasser vom Kometenkern ausgast und durch die intensive UV-Strahlung der Sonne ein Elektron verliert. Diese H2O+-Ionen werden vom Sonnenwind auf Energien von 120 bis etwa 800 Elektronenvolt beschleunigt, und dieser Vorrat an energiereichen Teilen bombardiert konstant die Kometenoberfläche.

Diesen Prozess stellten Giapis und Yao, die an Eley-Rideal-Reaktionen für die Chipherstellung forschen, in ihrem Labor nach – und kamen so dem bisher unbekannten Ursprung des Sauerstoffs auf die Spur: Demnach zerfällt das ionisierte Wasser beim Aufprall in Wasserstoff- und Sauerstoffatome. Bestand die Oberfläche aus Eisenoxiden oder Silikaten, entrissen die hochreaktiven Trümmer des Aufpralls diesen Mineralen Sauerstoffatome – wobei auch molekularer Sauerstoff entsteht. Der Befund zeugt nicht nur von der vielseitigen und überraschenden Chemie der Kometenkerne, sondern enthält auch eine Warnung für die Exoplanetenforschung: Weil sie im Universum so selten und auf der belebten Erde sehr häufig sind, gelten Sauerstoffmoleküle als möglicher Indikator für Leben auf fremden Welten. Aber vielleicht sind sie auch nur das Produkt einer besonders exotischen Chemie.

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