News: Gewickelte Nanoröhrchen
Nun haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart eine ganz andere Herstellungsmethode vorgestellt: Wenn sich eine unter innerer Spannung stehende Halbleiter-Schicht von der sie tragenden Kristallschicht ablöst, wickelt sich diese Schicht zu einem Röhrchen auf. Das ist – ganz einfach ausgedrückt – das technische Grundprinzip, dass die Forscher für die Herstellung von Nanoröhrchen entwickelt haben. Sie bringen auf ein Halbleiter-Substrat zunächst eine "Opferschicht" und darüber dann zwei dünne Lagen aus Materialien auf, die unterschiedliche Kristalleigenschaften haben. Die obere Schicht hat eine kleinere, die untere Schicht eine größere Gitterkonstante. Dadurch entsteht zwischen beiden Lagen eine Verspannung, wie bei einem Bimetall.
Wird nun die Opferschicht schrittweise vom Substrat weggeätzt, löst sich die darüber liegende Doppelschicht als dünne Folie ab. Wegen der unterschiedlichen inneren Spannung der beiden Schichten rollt sich die Folie wie eine Feder ein und bildet – nach einer vollständigen Rotation – ein einfaches Nanoröhrchen. Ein solches Röhrchen besteht beispielsweise aus einer Silizium-Germanium-Folie, die man zuvor auf einem Silizium-Substrat aufbrachte.
"Wir haben schon Nanotubes hergestellt, die sich bis zu 30mal aufrollten", erklärt Oliver Schmidt vom Max-Planck-Institut. "Eine faszinierende Möglichkeit dieser Technologie besteht darin, dass man die Nanotubes jetzt an fast jeder Stelle auf der Substrat-Oberfläche erzeugen kann. In dem abgebildeten Fall wurde die Position präzise durch die Probenkante und die Dauer des selektiven Wegätzens der Opferschicht bestimmt", sagt Schmidt. "Statt der Probenkante könnte man in die Schichten auch an einer bestimmten Stelle einen 'Nano-Schlitz' einritzen, der dann zum Ausgangspunkt für das Aufrollen des Nanotube würde", erläutert er weiter.
Das Röhrchen ist mit 530 Nanometern und einer Länge von 20 Mikrometern noch immer relativ groß. Doch die neue Nanotechnologie ermöglicht es, die Größe der Nanoröhrchen über ein sehr breites Größenspektrum gezielt zu bestimmen. Die eingebaute Verspannung der in diesem Fall verwendeten Silizium-Germanium-Doppelschicht betrug nur 1,5 Prozent. Baute man eine vierprozentige Verspannung – das entspricht der Spannung zwischen reinem Silizium und reinem Germanium – in eine Doppelschicht von zwei Atomlagen Dicke ein, so würde sich der Radius des Nanoröhrchen auf einige wenige Nanometer reduzieren.
Aufdampftechniken wie die Molekularstrahlepitaxie ermöglichen es, unterschiedlichste Materialien – darunter Halbleiter, Isolatoren, Metalle, Polymere – in fast unbegrenzter Vielfalt miteinander zu kombinieren. Schmidt meint deshalb: "Aus diesem Reichtum an Kombinationen können neue Nano-Objekte in heute nicht vorstellbarer Vielfalt entstehen, die ihre Anwendung in dem weiten und sehr interdisziplinären Feld von mikro- und nano-elektromechanischen Systemen finden werden."
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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