Psychologie: Gewinner sein verleitet zum Schummeln
Nach einem Sieg darf man sich sozusagen offiziell den anderen überlegen fühlen. Wirkt sich das auch auf das Sozialverhalten aus? Ja, sagen zwei israelische Psychologen nach einem Experiment mit Freiwilligen, und zwar nicht unbedingt im Positiven: Probanden, die einen Wettbewerb gewannen, neigten in der Folge dazu, sich selbst Mogeleien zu gestatten. Nach Meinung der Forscher stecke dahinter das Gefühl, als Sieger könne man sich mehr Freiheiten herausnehmen. Die typischen Opfer dieser moralischen Selbsttäuschung kenne man in Form prominenter Steuerhinterzieher und korrupter Politiker.
Amos Schurr von der Ben-Gurion-Universität und Ilana Ritov von der Hebräischen Universität von Jerusalem ließen Studenten dazu ein Schätzspiel spielen und bestimmten dann per Zufall einen Gewinner, der jedoch glauben musste, er hätte die beste Leistung von allen erbracht. Anschließend ging es ans Würfeln um geringe Geldbeträge. Der Clou: Der Gewinner war der Einzige, der die gewürfelte Augenzahl kannte; schummelte er, bekam er mehr Geld, ohne dass es ein anderer bemerken würde. Da der Gesamtauszahlungsbetrag jedoch fix war, ging jede Schummelei direkt auf Kosten der Mitspieler. "Sie nahmen es direkt von ihren Mitstudenten, von ihren Freunden, weg", erklärt Schurr.
Die statistische Auswertung zeigte, dass es in der Gruppe derjenigen Teilnehmer, die zu Gewinnern gekürt wurden, messbar häufiger zu Schummeleien kam. Entscheidend, so die Psychologen, sei jedoch der Vergleich mit einer Variante des Experiments: Erklärten sie ihre Teilnehmer zum Beispiel per Lotterielos zu Gewinnern, zeigte sich der Schummeleffekt nicht. Ebenso war er nicht feststellbar, wenn sich die Teilnehmer lediglich an eine Situation erinnerten, in der sie ein persönliches Ziel erreicht hatten. Das vermeintliche Schummelvorrecht nahmen nur jene Probanden in Anspruch, denen suggeriert worden war, dass sie anderen überlegen gewesen waren, wie Schurr und Ritov in fünf verschiedenen Teilexperimenten ermittelten, an denen jeweils rund 70 bis 100 Probanden teilnahmen.
Ob sich dieser psychologische Mechanismus auch außerhalb des Labors zeige, könnten die Daten aus Sport und Wirtschaft zeigen, hoffen die Wissenschaftler. Falls ja, lohne es sich vielleicht für eine Gesellschaft, weniger Gewicht auf den Wettkampf, sondern mehr auf selbst gesetzte Ziele zu legen. In "Scientific American" erklärt Schurr allerdings, künftig untersuchen zu wollen, ob der prototypische Gewinner vielleicht auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leiste.
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