Neurochemie: Gezielter Transport
Ob als Kuschelhormon oder Angstlöser – das Neuropeptid Oxytozin beeinflusst in vielerlei Hinsicht den menschlichen Körper. Im Hypothalamus produziert, gelangt es über die Hirnanhangsdrüse ins Blut und von dort aus zu anderen wichtigen Organen. Welchen Weg das Hormon allerdings in teils unmittelbar benachbarte Hirnregionen nimmt, war Forschern bisher ein Rätsel. Valery Grinevich vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg und seine Kollegen haben nun das Geheimnis des Oxytozintransports gelüftet: Besonders lange Ausläufer von Nervenzellen dirigieren das Hormon unmittelbar in andere Areale im Gehirns.
Da Oxytozin die Blut-Hirn-Schranke nicht direkt überwinden kann, vermuteten Wissenschaftler bisher, dass es von den Nervenzellen im Hypothalamus ausgeschüttet wird und dann über Diffusion – also entlang eines Konzentrationsgefälles – in andere Hirnregionen gelangt. Für schnelle Signalprozesse wäre dieses Verfahren aber zu langsam und zu unspezifisch.
Um dem Transportmechanismus auf die Schliche zu kommen, verfolgten die Max-Planck-Forscher die Ausbreitung des Hormons im Rattengehirn mit einem Trick: Sie schleusten über Viren Gene in die Hirnzellen ein, die daraufhin fluoreszierende Farbstoffe sowie das lichtempfindliche Protein Channelrhodopsin produzierten. Channelrhodopsin wirkt wie ein Schalter, der durch Blaulicht die Zellen aktiviert.
Wie die Forscher in Hirnschnitten unter dem Mikroskop beobachteten, reichen die Axone der Oxytozin produzierenden Nervenzellen bis weit in andere Regionen des Vorderhirns, so dass sie das Hormon dort sehr gezielt ausschütten können. Eine dieser Hirnregionen ist beispielsweise die Amygdala, die sich bei Angst und Stress regt. Als Grinevich und seine Kollegen bei den genetisch veränderten Tieren die Oxytozinfreisetzung über Blaulicht auslösten, verloren die Ratten ihre Angststarre, welche die Wissenschaftler zuvor herbeigeführt hatten.
Neben der Linderung von Angst steuert Oxytozin auch den Geburtsprozess sowie den Milchfluss und festigt die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Allgemeine soziale Verhaltensweisen wie Treue oder Vertrauen in die Mitmenschen werden dem Hormon ebenfalls zugeschrieben.
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