Dürre in Deutschland 2018: Gibt es einen neuen Jahrhundertsommer?
Eine schleichende Wetterkatastrophe hat derzeit einen breiten Gürtel von Emden bis zum Erzgebirge im Griff. Während heftige Regenfälle im Süden und Westen Deutschlands diesen Frühling und Sommer Schlagzeilen machten, lassen Hitze und Trockenheit die Böden im Norden und Osten ausdörren. Seit Wochen herrscht Dürre in vielen Teilen Deutschlands. Bereits jetzt ziehen Landwirte Vergleiche mit dem Jahrhundertsommer 2003 – das Jahr war extrem trocken und brachte eine Hitzewelle, bei der mehrere zehntausend Menschen starben.
Im April brachte eine »Omega-Lage« Temperaturen von fünf Grad über dem langjährigen Durchschnitt, und auch der Mai brachte im Norden Rekordwerte. Der Juni war jedoch nicht ganz so heiß wie im Rekordjahr, und während es konstant warm war, blieben besonders markante – und tödliche – Hitzewellen aus. Dafür ist 2018 trockener. Bereits im Frühling etablierte sich in den betroffenen Regionen jenes Muster, das bis heute vorhält: Hochdruckgebiete bringen sonniges Wetter und trockene Luft, die seltenen Unterbrechungen dieses Musters lieferten kaum Regen.
Deutschland ist trockener, als man denkt
Der Wassermangel hat vielfältige Auswirkungen; Flüsse in den betroffenen Regionen führen weniger Wasser, zum Beispiel ist der Pegel der Elbe in Dresden auf 55 Zentimeter gefallen. Brände verheerten hunderte Hektar Wald im Naturschutzgebiet Lieberoser Heide, Pflanzen und Böden gehen ein. Einige Gebiete im Osten Deutschlands sind so trocken wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen vor über fünf Jahrzehnten.
Besonders in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist der Untergrund bis in zwei Meter Tiefe weitgehend ausgetrocknet, und auch im Norden vermeldet der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung schwere Dürre bis in tiefe Bodenschichten. In einigen Kreisen Niedersachsens konnten die Wasserwerke bereits Ende Mai den Wasserbedarf nicht mehr aus eigener Kraft decken.
Trockenheit ist jedoch in Deutschland nicht so ungewöhnlich, wie man gemeinhin glaubt. Die UN stufte Deutschland in ihrem Wasserbericht 2015 als anfällig für Wassermangel ein; man merkt das vor allem deswegen meist nicht, weil die Versorgungsinfrastruktur sehr hoch entwickelt ist und Regionen mit potenziell hohem Wasserstress über Fernleitungen versorgt werden. So stellen mehrere Trinkwasserspeicher und Talsperren die Wasserversorgung des Ruhrgebiets sicher, der Großraum Stuttgart zapft den Bodensee an, um seine Bevölkerung zu versorgen.
Die Folgen der Dürre
Während die Versorgung mit Trinkwasser auch in absehbarer Zukunft nur in echten Ausnahmefällen gefährdet ist, stellt die Dürre für einige Wirtschaftszweige ein echtes Problem dar. Niedrige Wasserstände an großen Flüssen können dazu führen, dass Kraftwerke kein Kühlwasser mehr bekommen, und der Warenverkehr über die Flüsse ist teilweise unterbrochen. Zwischen Magdeburg und Dresden fahren derzeit keine Binnenschiffe mehr, die Güter müssen auf Straße oder Schiene ausweichen, was teurer ist und oft länger dauert.
Auch in der Landwirtschaft verursacht die Dürre erhebliche Schäden. Besonders der Weizen, in Deutschland das wichtigste Getreide, leidet unter dem Wassermangel. In vielen Regionen haben Landwirte keine andere Wahl, als das Getreide zu früh zu ernten, obwohl die Körner noch nicht voll ausgereift sind. Die Ernten seien weit unterdurchschnittlich, meldet der Bauernverband, viele Betriebe müssten um ihre Existenz fürchten.
Vieles deutet darauf hin, dass solche Probleme in Zukunft eher zunehmen werden. Schon seit Jahrzehnten verschiebt sich der Niederschlagszyklus in Mitteleuropa hin zu stärkeren Extremen und damit auch zu mehr Dürren: Seit 1881 hätten die Regenmengen in Deutschland um elf Prozent zugenommen, vermeldete das Klimaservicezentrum des Helmholtz-Zentrums Geesthacht 2017 – allerdings betreffen diese Anstiege den Winter. Die Sommer dagegen werden trockener. In Sachsen zum Beispiel lasse sich bereits im Zeitraum zwischen 1951 und 2000 nachweisen, dass Dürren häufiger wurden, heißt es in dem Bericht. Das deckt sich mit den Ergebnissen regionaler Klimamodelle, die für Deutschland eine höhere Wahrscheinlichkeit für anhaltende Trockenphasen feststellen.
Gislinde bringt Erleichterung – vorübergehend
Wie sich Deutschland dadurch langfristig verändert, ist trotz der relativ deutlichen Trends jedoch nicht einfach vorherzusagen. Dass die Flüsse im Sommer immer früher immer weniger Wasser führen, gilt ebenso als gesichert wie insgesamt höhere Gefahr durch Hitzewellen. In der Landwirtschaft dagegen ist Dürre nicht gleich Dürre: Je nachdem wann die Trockenphasen auftreten, unterscheiden sich die Auswirkungen.
Im Jahr 2014 herrschte im April in etwa 70 Prozent Deutschlands Dürre, doch im Mai regnete es wieder, so dass die Pflanzen auf den Feldern in der entscheidenden Wachstumsphase genug Wasser bekamen – und obwohl es im Juni wieder trockener wurde, waren die landwirtschaftlichen Erträge höher als in den Jahren davor. Die Situation im Folgejahr dagegen entwickelte sich anders: Das Frühjahr 2015 war noch nicht übermäßig trocken, doch wenig Regen in Mai und Juni ließ in Süddeutschland die Ernten auf den Feldern verdorren.
Die Dürre 2018 zeigt mit durchgehender Trockenheit seit dem Frühjahr Parallelen zu 2003 – doch es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Das Hochdruckgebiet über den Britischen Inseln prägt zwar auch weiterhin das sommerliche Wetter, aber Deutschland liegt eher an seinem Rand. Das macht den Weg frei für kleinere Tiefdruckgebiete, die den trockenen Regionen ein bisschen Erleichterung bringen könnten; bereits am Dienstag und Mittwoch, so Fachleute, zieht das Tief Gislinde von Skandinavien heran und bringt den Norden und Osten zum Teil ergiebige Regenfälle. Danach aber dürfte es wieder trocken werden.
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