Meeresbiologie: Gifthalter
Hämoglobin bewährt sich bei vielen Tierarten als zuverlässiges Vehikel für Sauerstoff. Manche Würmer aus der Tiefsee setzen das Molekül gleich doppelt ein: Sie transportieren damit gleichzeitig giftiges, für sie aber ebenfalls lebensnotwendiges Sulfid.
Bis in die 1970er Jahre hielten Meeresbiologen die Tiefsee für eine lebensfeindliche und damit ziemlich langweilige Einöde. Eine Einschätzung, die sich weit gehend als richtig erweisen sollte – bis auf wenige Ausnahmen.
Denn als sich Meeresforscher 1977 in dem winzigen U-Boot "Alvin" zum ersten Mal in 2500 Meter Tiefe hinabwagten, sahen sie zwar anfangs nur weite Flächen von Schlamm, aus dem mal hier, mal da eine Kreatur hervorlugte. Doch dann zeigte sich ein gänzlich anderes Bild: Bei vulkanisch aktiven Regionen, wie den Galapagosinseln, erspähten sie wahre Oasen überquellenden Lebens mit einer Fülle vorher noch nie gesehener Tierarten. Die Entdeckung der Hydrothermalquellen sollte das angestammte Bild der Tiefsee als artenarmen Lebensraum auf den Kopf stellen.
Die Entdeckung war um so überraschender, da Hydrothermalquellen zunächst wenig gemütlich erscheinen: Sie sind heiß und giftig. In dicken, schwarzen Wolken schießt aus Erdspalten über 300 Grad heißes Wasser, in dem neben vielen Mineralien vor allem ein starkes Zellgift gelöst ist: Sulfid – besser bekannt in seiner gasförmigen, nach faulen Eiern stinkenden Version Schwefelwasserstoff.
Doch gerade in dieser Substanz liegt das Geheimnis der Hydrothermalquellen. Denn Bakterien wissen das Gift als ergiebige Energiequelle zu nutzen, in dem sie es mit dem in der Tiefsee reichlich vorhandenen Sauerstoff oxidieren. Und von den Bakterien wiederum ernährt sich – direkt oder indirekt – die hier lebende Fauna. Auf der Grundlage der chemosynthetischen Aktivität der Schwefelbakterien stellen Hydrothermalquellen damit Lebensräume dar, die unabhängig von der Sonnenenergie und der auf sie beruhenden Photosynthese existieren.
Doch dies ist gar nicht so einfach. Einen Sauerstoff-Transporter, der sich auch bei uns bewährt, besitzen die Würmer zwar durchaus: Hämoglobin. Doch unangenehmerweise blockiert Sulfid nicht nur die Zellatmung, es konkurriert auch mit Sauerstoff um die Bindung an Hämoglobin – und verhindert damit den Sauerstoff-Transport.
Das Riftia-Hämoglobin unterscheidet sich jedoch von dem Atmungspigment unseres Bluts. Es verfügt über zwei Bindungsstellen: eine für Sauerstoff und eine zusätzliche für Sulfid. Damit schlagen die Würmer zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie verhindern die Vergiftung ihres Stoffwechsels, indem sie das Gift aus dem Verkehr ziehen, und sie beliefern ihre Symbionten gleichzeitig mit den nötigen Rohstoffen.
Wie sieht nun diese geheimnisvolle Bindungsstelle aus? Bisher vermuteten die Physiologen, dass die schwefelhaltige Aminosäure Cystein am Hämoglobin-Molekül für die Sulfid-Bindung zuständig ist. Den Forschern um Jason Flores von der Pennsylvania State University gelang es nun, die Kristallstruktur des Riftia-Hämoglobins zu analysieren, um diese Vermutung zu überprüfen.
Als vielversprechender erwiesen sich stattdessen Zink-Ionen, die am Molekül zu finden waren. Insgesamt zwölf fest gebundene Zn2+-Ionen entdeckten Flores und seine Kollegen. Entfernten sie das Zink, dann verlor das Hämoglobin seine Fähigkeit, Sulfid zu binden.
Zink scheint also der Schlüssel zu sein, mit dem die Tiefseebewohner die giftige Substanz sicherstellen. Damit übernimmt das Metall die gleiche Rolle wie das Eisen in der Häm-Gruppe des Transporters – statt Sauerstoff bevorzugt es allerdings das giftige, aber energiereiche Sulfid.
Denn als sich Meeresforscher 1977 in dem winzigen U-Boot "Alvin" zum ersten Mal in 2500 Meter Tiefe hinabwagten, sahen sie zwar anfangs nur weite Flächen von Schlamm, aus dem mal hier, mal da eine Kreatur hervorlugte. Doch dann zeigte sich ein gänzlich anderes Bild: Bei vulkanisch aktiven Regionen, wie den Galapagosinseln, erspähten sie wahre Oasen überquellenden Lebens mit einer Fülle vorher noch nie gesehener Tierarten. Die Entdeckung der Hydrothermalquellen sollte das angestammte Bild der Tiefsee als artenarmen Lebensraum auf den Kopf stellen.
Die Entdeckung war um so überraschender, da Hydrothermalquellen zunächst wenig gemütlich erscheinen: Sie sind heiß und giftig. In dicken, schwarzen Wolken schießt aus Erdspalten über 300 Grad heißes Wasser, in dem neben vielen Mineralien vor allem ein starkes Zellgift gelöst ist: Sulfid – besser bekannt in seiner gasförmigen, nach faulen Eiern stinkenden Version Schwefelwasserstoff.
Doch gerade in dieser Substanz liegt das Geheimnis der Hydrothermalquellen. Denn Bakterien wissen das Gift als ergiebige Energiequelle zu nutzen, in dem sie es mit dem in der Tiefsee reichlich vorhandenen Sauerstoff oxidieren. Und von den Bakterien wiederum ernährt sich – direkt oder indirekt – die hier lebende Fauna. Auf der Grundlage der chemosynthetischen Aktivität der Schwefelbakterien stellen Hydrothermalquellen damit Lebensräume dar, die unabhängig von der Sonnenenergie und der auf sie beruhenden Photosynthese existieren.
Ein Vertreter dieses besonderen Lebensraums ist der Röhrenwurm Riftia pachyptila. Die bis zu einen Meter großen, festsitzenden Tiere verzichten ganz auf Mund und After, haben – außer Kiemenbüschel – auch sonst keine besonderen Organe für die Ernährung, sie bestehen im Grunde lediglich aus einem geschlossenen Sack. Dieses Gebilde – das Trophosom – ist wiederum vollgepackt mit symbiontischen Bakterien, die fleißig Sulfid oxidieren, sich dabei kräftig vermehren und so ihren Gastgeber ernähren. Dem Wurm bleibt nur die Aufgabe, seine Symbionten mit genügend Sauerstoff und Sulfid zu versorgen.
Doch dies ist gar nicht so einfach. Einen Sauerstoff-Transporter, der sich auch bei uns bewährt, besitzen die Würmer zwar durchaus: Hämoglobin. Doch unangenehmerweise blockiert Sulfid nicht nur die Zellatmung, es konkurriert auch mit Sauerstoff um die Bindung an Hämoglobin – und verhindert damit den Sauerstoff-Transport.
Das Riftia-Hämoglobin unterscheidet sich jedoch von dem Atmungspigment unseres Bluts. Es verfügt über zwei Bindungsstellen: eine für Sauerstoff und eine zusätzliche für Sulfid. Damit schlagen die Würmer zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie verhindern die Vergiftung ihres Stoffwechsels, indem sie das Gift aus dem Verkehr ziehen, und sie beliefern ihre Symbionten gleichzeitig mit den nötigen Rohstoffen.
Wie sieht nun diese geheimnisvolle Bindungsstelle aus? Bisher vermuteten die Physiologen, dass die schwefelhaltige Aminosäure Cystein am Hämoglobin-Molekül für die Sulfid-Bindung zuständig ist. Den Forschern um Jason Flores von der Pennsylvania State University gelang es nun, die Kristallstruktur des Riftia-Hämoglobins zu analysieren, um diese Vermutung zu überprüfen.
Die Strukturaufklärung offenbarte allerdings, dass ausgerechnet die cysteinhaltigen Bereiche des Moleküls im Innern sitzten und besonders hydrophob, also wasserabstoßend sind. Damit fallen sie als Bindungsstellen für das im Wasser gelöste Sulfid aus.
Als vielversprechender erwiesen sich stattdessen Zink-Ionen, die am Molekül zu finden waren. Insgesamt zwölf fest gebundene Zn2+-Ionen entdeckten Flores und seine Kollegen. Entfernten sie das Zink, dann verlor das Hämoglobin seine Fähigkeit, Sulfid zu binden.
Zink scheint also der Schlüssel zu sein, mit dem die Tiefseebewohner die giftige Substanz sicherstellen. Damit übernimmt das Metall die gleiche Rolle wie das Eisen in der Häm-Gruppe des Transporters – statt Sauerstoff bevorzugt es allerdings das giftige, aber energiereiche Sulfid.
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