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News: Giftige Zielscheibe

Neben der bunten Blütenpracht schmücken sich viele Pflanzen mit UV-Signalen, die für das menschliche Auge verborgen bleiben. Manche Insekten jedoch vermögen sie als eine Art Wegweiser zur dargebotenen Nahrung wahrzunehmen. Mithilfe eines derartigen Aushängeschildes stellt das Niedrige Johanniskraut nicht nur seine erfolgreiche Bestäubung sicher, sondern sendet mittels den zugrundeliegenden chemischen Komponenten offenbar gleichzeitig eine giftige Botschaft an hungrige Fressfeinde aus.
Johanniskraut
Um die Aufmerksamkeit von Insekten oder anderen bestäubenden Tieren auf sich zu ziehen, stellen etliche Pflanzen auffällig gefärbte Kronblätter zur Schau. Doch damit nicht genug, denn oftmals verzieren sogar spezielle Muster oder Signale jene Blüten, welche insbesondere Bienen aufsuchen. Fein abgestimmt auf deren ultraviolettes Sehvermögen weisen die Markierungen den nahrungssuchenden Gästen den Weg zu den Nektardrüsen, wo eine Zuckerlösung als Belohnung wartet. Als Gegenleistung für das dargebotene Futter werden die Besucher mit Pollenstaub beladen, der abgestreift auf der nächsten Blüte deren erfolgreiche Befruchtung und Fortpflanzung gewährleistet.

Auch das Niedrige Johanniskraut (Hypericum calycinum) bedient sich solcher Farbspiele, um gezielt Insekten anzulocken. Während seine Blüten dem menschlichen Auge als gleichförmige gelbe Scheiben erscheinen, aus denen lange, strahlenförmige Staubfäden herausragen, verlieren sie aus dem Blickwinkel der Bienen betrachtet zwar an Leuchtkraft. Doch im Gegenzug stechen sie durch ein dunkles, ultraviolettes Licht absorbierendes Zentrum verstärkt hervor, das den Insekten als unmissverständlicher Wegweiser Nahrung verheißt.

Thomas Eisner und seine Kollegen von der Cornell University vermuteten jedoch, dass der auffällige Mittelpunkt nicht nur als Zielscheibe dient, sondern gleichzeitig noch eine andere Funktion erfüllt. Denn wie eine nähere Analyse der chemischen Komponenten ergab, treten die DIP – dearomatisierten isoprenylierten Phloroglucinole – genannten Verbindungen gehäuft in den Fruchtknotenwänden und unter anderem in den Staubbeuteln der Pflanze auf.

Um näher zu beleuchten, ob jene Substanzen möglicherweise die Fortpflanzungsorgane des Johanniskrauts vor unliebsamen Fressfeinden zu schützen vermögen, führten die Forscher Studien mit Larven des Nachtfalters Utetheisa ornatrix durch. Zunächst boten sie ihren Versuchstieren als Nahrungsquelle Filterpapier-Scheiben an, die sie zuvor mit Chemikalien von gewöhnlich bevorzugten Pflanzen getränkt hatten. In einem zweiten Schritt ersetzten sie diese durch Scheiben, welche zusätzlich DIP-Verbindungen enthielten.

Und siehe da, die ultraviolett absorbierenden Substanzen schreckten die meisten Raupen in der Tat wirkungsvoll ab. Einige wenige Larven, die den "Warnhinweis" nicht befolgten und dennoch vom DIP-getränkten Papier probierten, bezahlten dies mit ihrem Tod. Offenbar nutzt das Johanniskraut ein und dieselbe Chemikalie, um einerseits die bestäubenden Insekten anzulocken und andererseits unerwünschte Pflanzenfresser auf Distanz zu halten. Denn entscheidend für den Fortbestand einer Pflanzenart sind nicht allein die Blütenbesucher, sondern auch die Produktion lebensfähiger Samen. Somit besteht aus evolutionärer Sicht ein Anreiz für die Pflanze, ihre Fortpflanzungsorgane so gut wie möglich vor Fressfeinden zu bewahren.

Wie die Forscher spekulieren, befinden sich zweifellos auch in anderen Pflanzen DIP-ähnliche Verbindungen, die gezielt eine abschreckende Botschaft an unliebsame Gäste vermitteln. Derartige Hinweise ließen sich möglicherweise nutzen, um der Natur nachempfundene Schädlingsbekämpfungsmittel zu entwickeln, hofft Eisner.

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