Gigant der Lüfte: Quetzalcoatlus startete und fraß wie ein Reiher
Ein ausgewachsener Quetzalcoatlus erreichte fast die Dimensionen eines Kleinflugzeugs: Seine zwölf Meter Flügelspannweite machten ihn zu einem der größten flugfähigen Tiere der Erde, die je gelebt haben. Doch diese Ausmaße warfen einige Fragen auf, die Kevin Padian von der University of California in Berkeley und sein Team dank neuer Fossilanalysen geklärt haben könnten, wie sie im »Journal of Vertebrate Paleontology« schreiben. Unklar war etwa, wie die Pterosaurier sich überhaupt in die Luft erheben konnten oder was und wie sie fraßen.
Dabei waren die Tiere ein Erfolgsmodell: 150 Millionen Jahre lebten sie auf der Erde, bis sie am Ende der Kreidezeit zusammen mit den Dinosauriern plötzlich ausstarben. Und während sie am Himmel wohl wie Albatrosse oder Geier dank ihrer enormen Flügel ausgezeichnete Gleiter waren, müssen sie am Boden wegen ihres langen Kopfes und Halses sowie der kurzen Hinterbeine beachtliche Schwierigkeiten gehabt haben, das Gleichgewicht zu halten und sich zu bewegen. Verglichen mit den Füßen waren die Flügelknochen sehr lang, woraus Padians Arbeitsgruppe schließt, dass die Flügel im Stehen den Boden berührt haben. Quetzalcoatlus und andere große Pterosaurier standen deshalb wohl wie Vierbeiner und stützten sich mit den vorderen Extremitäten ab.
Laufen konnte der Gigant damit aber nicht, wie die Untersuchung der Schulterknochen andeutet: Ein Knochen am Schultergelenk verhinderte demnach, dass die Flugsaurier die Flügel zum Schreiten nach vorne schwingen konnten. Stattdessen mussten, sie abwechselnd die Flügel links und rechts heben, um die jeweiligen Hinterbeine nach vorne setzen zu können. Anschließend stellten sie den Flügel wieder ab, um das Ganze mit der jeweils anderen Seite zu wiederholen. Das würde auch zu Spuren passen, die in den 1990er Jahren in Frankreich gefunden und Pterosauriern zugeschrieben wurden. Ähnlich bewegen sich Vampirfledermäuse fort, wenn sie am Boden sind.
Das Abheben wurde durch diese Anatomie ebenfalls erschwert, weshalb viele Paläontologen davon ausgingen, dass sich die Tiere ähnlich wie Albatrosse von Klippen stürzen. Die Aufwinde an den Felsen hätten dann dafür gesorgt, dass die Tiere segeln konnten. Vom Boden aus schien es dagegen ein Ding der Unmöglichkeit: Durch die niedrige Rumpfhöhe über dem Boden und die Länge der Flügel brachte Schlagen nicht genügend Auftrieb. Andere Thesen gingen aber davon aus, dass sich die Pterosaurier in die Luft katapultierten.
Wie heute etwa Reiher stieß sich Quetzalcoatlus mit kräftigen Hinterbeinen ab, wenn er fliegen wollte. Möglich wäre allerdings ebenso, dass er sich mit allen Vieren abstieß. Über dem Boden konnte er dann mit den Flügeln schlagen; er hatte ein sehr ausgeprägtes Brustbein entwickelt, an dem starke Flugmuskeln ansetzten. Ebenfalls dafür sprechen große Knochenkämme an den Oberarmen, die als weitere Verankerung der Flugmuskeln dienten. Einmal in der Luft nutzten die Pterosaurier dann die Thermik, um über längere Distanzen zu gleiten. Die Landung glich wohl eher wieder der von Greifvögeln, die mit raschen Flügelschlägen stark abbremsen, bevor sie aufsetzen.
Dieser beachtliche Körper wollte jedoch auch ernährt werden: Dass Quetzalcoatlus Aas fraß, schließen Padian und Co ebenso aus wie, dass er Fische im Flug aus dem Wasser holte. Gegen Ersteres spräche die lange und dünne, aber schwache Kieferanatomie, gegen das andere der hohe Energieaufwand dieser Art Jagd. Wahrscheinlicher sei, dass die Tiere erneut wie Reiher oder Störche durch Wiesen oder Sümpfe wateten, um Echsen, Fische oder Amphibien zu jagen. Kopf und Nacken konnten senkrecht nach oben gerichtet werden, um die Beute zu schlucken.
Noch sind nicht alle Rätsel um die diese Riesen gelüftet, doch die Studie bedeutet einen großen Fortschritt. »Die Ergebnisse sind revolutionär für die Pterosaurierforschung«, sagt Padian.
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