Direkt zum Inhalt

News: Gleich und gleich gesellt sich gern

Sobald die DNA einer Zelle beschädigt ist, setzt sich eine zelleigene Reparaturtruppe in Bewegung, um den Baufehler auszumerzen. Dabei dient ihr eine Art Sicherheitskopie des Genoms als Vorlage für die Ausbesserungsarbeiten. Allerdings muss sie genau erkennen, welche Stellen zu ersetzen sind und dazu im unbeschädigten Bereich an den defekten Strang andocken - ein Prozess für den Biologen bislang keine schlüssige Erklärung liefern konnten. Nun haben Biophysiker einen Weg vorgeschlagen, wie diese Suche vonstatten geht. Demnach sollen sich zwei Doppelhelices aufgrund ihrer Oberflächenladungen anziehen - und zwar besonders stark, wenn sich gleiche Teile gegenüberstehen.
Der genetische Code besteht aus vier verschiedenen Molekülen oder Basen. Sie liegen jedoch nicht einzeln vor, sondern befinden sich je zu unterschiedlichen Pärchen kombiniert in einer schier endlose Abfolge aneinandergereiht in den Chromosomen. Dabei bilden einzelne Basenpaare gleichsam die “Stufen” einer Art Wendeltreppe – der spiralförmigen Doppelstruktur der DNA. Ist ein Stück von ihr beschädigt, so hilft ein Protein, die entsprechende Stelle auf einer Kopie des Genoms zu finden und auszutauschen. Biologen gehen davon aus, dass das Protein die fehlerhafte Doppelhelix dazu in zwei Teile zerlegt, sie also an ihren Basen auftrennt, und sie anschließend mit dem anderen Molekül vergleicht.

Allerdings ist eines bislang völlig schleierhaft: Um sicher zu gehen, dass die korrekte Stelle gefunden wurde, müssen die Segmente auf einem Bereich von etwa hundert Basen eindeutig übereinstimmen. Wer kontrolliert das, und vor allem wie? Denn die Protein-vermittelte Suche gelingt am besten, wenn nur zehn bis zwanzig Basen betroffen sind. Bei hundert erwartet man eigentlich nicht, dass das Verfahren funktioniert. Wenngleich Forscher auch andere Mechanismen vorgeschlagen haben, die längere DNA-Abschnitte erkennen können, so bleibt das Rätsel doch ungelöst.

Um das Problem rechnerisch anzupacken, modellierten Alexei Kornyshev vom Forschungszentrum Jülich und Sergey Leikin des National Institutes of Health in Bethesda jedes DNA-Molekül für eine Computersimulation als zylindrischen Kern, spiralförmig umwickelt von positiv und negativ geladenen Strängen. Die Forscher gestalteten ihre Helices jedoch absichtlich nicht perfekt – sie bauten eine Funktion in die Gleichungen, welche die kleinen Störungen nicht gleicher Basen nachempfinden sollte. Aus diesem Modell leiteten die Forscher die Anziehungsenergie der beiden Helices ab.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass für Abschnitte aus 100 bis 200 Basen gleicher Sequenz die Anziehung stark genug war, um thermische Bewegungen zu überwinden und die Teile aneinander zu haften. Standen sich jedoch unterschiedliche Abschnitte gegenüber, so gelang es dem suchenden Strang nicht, an seinem DNA-Zwilling anzudocken. Hatten die beiden DNA-Abschnitte kaum etwas gemein, dann reichte die Anziehungsenergie noch nicht einmal dazu, die thermische Energie zu überwinden. Offenbar passen identische Abschnitte deshalb so gut zusammen, da die abwechselnden positiven und negativen Ladungen entlang der beiden Zylinder sich genau ergänzen und eine starke Anziehung vermitteln. Das ist nicht der Fall, wenn die DNA-Moleküle unterschiedlich aufgebaut sind.

Leikin meint, dass die defekte DNA in einer Zelle ihren Partner in zwei Stufen findet: Zuerst identifiziert sie eine 100 bis 200 Basen lange Region, die zu etwa 90 Prozent identisch ist. Dann heftet der Protein-gesteuerte Prozess fest an einen etwa 10 Basen langen Teil perfekter Übereinstimmung. Der Forscher fast knapp zusammen: “Zuerst verschafft es sich grobe Übersicht, dann kommt die Feinabstimmung.”

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.