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Verhaltensforschung: Glückliche Steuerzahler

Wer sich wieder einmal so richtig gut fühlen will, sollte für einen guten Zweck in die Tasche greifen. Denn eine Spende an eine humanitäre Einrichtung erhöht die Aktivität im Belohnungszentrum des Gehirns. Das klappt übrigens auch, wenn die Spende nicht ganz freiwillig war.
Neuronanktivität entscheidet über Altruismus
Stellen Sie sich vor, man schenkt ihnen einhundert Dollar. Anschließend jedoch erfahren Sie, dass ein Teil des Geldes gar nicht ausgezahlt wird. Er geht als verpflichtende Spende an eine wohltätige Einrichtung aus Ihrer Region. Und dann werden Sie auch noch aufgefordert, freiwillig etwas auf diese Summe draufzulegen. Hört sich nicht unbedingt schlimm an – aber auch nicht gerade nach der am Anfang vielleicht noch erträumten Lage.

Der Grad der hin- und hergerissenen Zufriedenheit in dieser Situation interessierte William Harbaugh und seine Kollegen von der Universität von Oregon. Sie wollten feststellen, was im Gehirn passiert, wenn Pflichtabgabe oder freiwillige Spende das unerwartete Geschenk verringern – und testeten dies sie mit Hilfe von zwanzig Studentinnen und einem Magnetresonanztomografen.

Altruistische Gehirnaktivität in Nucleus accumbens und Insula | Die Aktivitäten des präfrontalen Korex und des vorderen zingulären Kortex ist bei Entscheidungen über Geben oder nicht deutlich erhöht.
Unter fMRI-Kontrolle wurden den Frauen auf einem Bildschirm in mehreren Durchläufen verschiedene Abgabe-Szenarien vorgeführt: Einmal ging von den einhundert Dollar eine Pflichtabgabe ab, ein anderes Mal wurde eine freiwillige Spende festgelegt, bei der sie selbst bestimmen konnten, ob sie dieser zustimmen wollten. Für die Probandinnen ging es hierbei durchaus um reale Verluste. Denn sie wussten, dass aus all den Szenarien per Zufall eine Pflichtabgabe und eine freiwillige Spende ausgewählt werden würden, die am Ende auch ihren echten Lohn minimieren würden.

Die Forscher beobachteten derweil die Gehirnströme der jungen Frauen. Ihr Interesse galt dabei besonders dem ventralen Striatum und der Insula – also Hirnregionen, die für ihren Einfluss auf Belohnungsgefühle bekannt sind. Hier entsteht die Freude über ein gutes Essen, aber auch der Stolz auf eine absolvierte Klausur. Auch der Erhalt der einhundert Dollar löste hier bei den Probandinnen neuronale Feuerwerke aus: Sie freuten sich sichtlich über das Geld. Doch auch bei den freiwilligen Spenden an eine lokale gemeinnützige Einrichtung steigerte sich die Aktivität des Belohnungszentrums: das Gehirn sorgte für ein gutes Gefühl.

Per Mausklick bewerteten die Frauen ihre Empfindungen nach einer solchen Spende. Und siehe da: Selbst bei hohen Verlusten fühlten sich die Frauen nach einer Spende zufriedener, als wenn die Organisation leer ausging. Die Entscheidung zur Spende beruhte also auf der Tatsache, sich freiwillig für den guten Zweck entschieden zu haben. Doch was die Forscher völlig verblüffte, waren ihre Ergebnisse bei der Zwangsabgabe: Denn auch hier wurde das Belohnungszentrum aktiviert – wenn auch nicht so stark wie bei der freiwilligen Abgabe.

Die für viele Menschen sicherlich bizarr anmutende These der Forscher: Auch Steuernzahlen kann Glücksgefühle auslösen – zumindest dann, wenn die Menschen der Ansicht sind, dass ihr Geld einen gutem Zweck zugute kommt. Eine solche altruistische Einstellung hatte selbst Wirtschaftswissenschaftler William Harbaugh nicht vorausgesehen: "Die meisten Ökomomen hätten hiermit nicht gerechnet. Unsere Ergebnisse bekräftigen die Idee von wahrem Altruismus."

Noch bleibe allerdings fraglich, ob auch andere Steuern einen solch positiven Effekt bewirken könnten. "Wenn etwa jemand das Gefühl hat, die Steuer sei unfair", sagt Harbaugh, "was ist dann?"

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