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News: Göttliche Geburtshilfe

Dass Ägypter nicht nur Wert auf ein gebührendes Grab legten, zeigt ein neuer und bislang einzigartiger archäologischer Fund. Demnach sollen Geburtssteine nicht nur körperliche Stütze für die Gebärende sein, sondern auch für göttlichen Beistand sorgen.
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Dank modernster Medizin ist für unseren Nachwuchs sowohl vor als auch nach der Geburt bestens gesorgt. Deshalb ist es heutzutage schwer vorstellbar, wie unsere frühen Vorfahren ohne entsprechende modernen Apparate ihre Nachkommen auf die Welt brachten. Doch auch damals gab es gewisse Vorrichtungen, welche Frauen die Geburt erleichtern sollten. So stellten sich Schriftstücken zufolge werdende Mütter im alten Ägypten auf Lehm- oder Tonziegel, um auf diese Weise ihre Kinder in hockender Position auf die Welt bringen zu können.

Doch obwohl zahlreiche Ausgrabungen die unterschiedlichsten Gebrauchsgegenstände dieser Hochkultur zu Tage förderten, zeugte bislang kein entsprechender Fund von der Existenz dieser Geburtshilfen aus gebranntem Lehm. Dementsprechend groß muss die Überraschung der Archäologen um Josef Wegner von der University of Pennsylvania gewesen sein, als sie während ihrer Ausgrabungen bei Abydos im Süden Ägyptens einen einzelnen, 3700 Jahre alten und reich bemalten Ziegelstein entdeckten. Der Backstein fiel ihnen in die Hände, als sie gerade dabei waren, die lang gesuchte herrschaftliche Residenz eines Stadthalters des mittleren ägyptischen Reichs frei zu legen.

Bei näherer Betrachtung offenbarte sich den Wissenschaftlern, dass der Backstein wohl mehr als nur Mittel zum Zweck gewesen war, denn die erstaunlich gut erhaltenen Bilder und Verzierungen deuteten zweifellos auf einen ausgeprägten symbolhaften Charakter dieser Geburtshilfe hin. So soll der Sonnengott, welcher den Stein in Gestalt einer Katze ziert und von seinen Wächtern begleitet wird, über die Mutter und ihren Säugling wachen.

Ein weiteres Bild zeigt eine Mutter, die ihren neugeborenen Sohn im Arm hält und dabei von anderen Frauen und von Hathor umringt wird – der in Kuhgestalt auftretenden Gottheit für Geburt und Mutterschaft. Die Archäologen glauben, dass diese Art der Bitte um göttlichen Beistand im damaligen Ägypten aufgrund der hohen Kinder-Sterblichkeitsrate entstanden ist und von zahlreichen zusätzlichen Geburtsritualen begleitet wurde.

Nachdem feststand, dass es sich bei dem Fund um den ersten bis dahin entdeckten Geburtsstein handelte, stellten sich die Forscher die Frage nach seiner Besitzerin. Aufgrund des Fundortes des Steins und Inschriften auf in speziellen Gemächern gefundenen Siegeln aus Ton, schlossen die Archäologen, dass es sich um Prinzessin Renseneb handelte. Sie soll Wegeners Vermutungen zufolge in der 13. Dynastie – also etwa 1850 bis 1650 Jahre vor Christus – als Frau des Stadthalters gelebt haben.

Der einzigartige Fund ist ein wertvoller Hinweis darauf, dass die Ägypter nicht nur die Toten dem Schutz ihrer Götter befahlen, sondern auch bei der Geburt auf deren Hilfe hofften. Nach der Ansicht Wegeners repräsentiert der Geburtsstein zwar nur einen Bruchteil der ägyptischen Welt der Riten, hilft den Forschern jedoch den damaligen Umgang damit besser zu verstehen.

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