Tierische Intelligenz: Gorillas brauchen nicht unbedingt Gorilla-Lehrer
Primatenforscher fasziniert traditionell, wie unterschiedlich sich »Intelligenz« bei verschiedenen Menschenaffenarten äußert: Umstritten bleibt am Ende nicht selten, ob bestimmte Verhaltensmuster der kleineren menschenähnlichen Primaten oder der größeren Orang-Utans und Gorillas als Zeichen für besondere geistige Beweglichkeit eingestuft werden können. Als wichtiger Parameter wird allerdings oft das Lernverhalten der Tiere herangezogen, und insbesondere das »soziale Lernen«, bei dem ein Tier bei einem anderen Fähigkeiten abschaut oder solche gar gezielt vermittelt bekommt. Dies kann am Ende zu einer kulturellen Wissensweitergabe von Generation zu Generation führen – etwas, was man bislang am ehesten den Bonobos und Schimpansen zugetraut hat. Auch Gorillas scheinen sich, vor allem im Jugendalter, aber Fähigkeiten von erfahrenen Tieren abschauen zu können. Das ist bisher jedoch nicht wirklich erschöpfend untersucht.
Forscher um Damien Neadle von der University of Birmingham und Kollegen vom Primatenzentrum des Leipziger Zoos hatten sich daher daran gemacht, das Lernvermögen des westlichen Flachlandgorillas (Gorilla gorilla gorilla) noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Dazu beobachteten sie fünf in Gefangenschaft gehaltene Tiere bei ihrem Umgang mit Äpfeln – genauer gesagt mit stark verschmutzen Äpfeln, die augenscheinlich nur dann gut schmecken, wenn sie vor dem Verzehr gründlich sauber gemacht werden. Wie Äpfel geputzt werden können, hatten die gespannt zuschauenden Forscher den Tieren zuvor nicht beigebracht: Die Gorillas waren also auf sich allein gestellt. Zudem hatten die fünf Gorillas auch noch nie Kontakt zu Tieren gehabt, die ihnen als soziale Lehrer eine Apfelwaschstrategie hätten beibringen können.
Schnell zeigte sich aber, dass die Gorillas im Test durchaus verschiedene innovative Anstalten machten, das ärgerlich verschmutze Obst zu putzen – mit rubbelnden Fingerspitzen, wischenden Handrücken oder durch Reiben am Arm. Alle diese verschiedenen Reinigungstechniken haben Primatenforscher auch schon in freier Wildbahn bei Flachland- und Berggorillas beobachten können. Das Experiment zeigt: Offenbar überfordert es den einzelnen Durchschnittsgorilla durchaus nicht, sie sich auszudenken. Und demnach ist die Vermittlung durch erfahrene Artgenossen, etwa eines Experten einer traditionell überlieferten, lokalen Apfelwaschkultur, nicht nötig.
Insgesamt spricht das für die Fähigkeit der Gorillas zu individuellem Lernen von Techniken, schreiben die Forscher in ihrer Veröffentlichung in »PLoS« – nicht aber unbedingt dagegen, dass Gorillas auch zum sozialen Lernen durch Abschauen und Weitergabe fähig sind. Ohnehin sei bei den Menschenaffen vielleicht eine weniger strikte Definition von Kultur angebracht: Wenn alle Tiere zu einem individuellen Lernschritt fähig sind, befinden sie sich auf einem vergleichbaren kulturellen Horizont – und soziales Lernen würde nur dazu beitragen, dass sich aus diesem heraus schneller eine von außen einheitlich wirkende Kultur herausbildet.
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