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Gravitationswellen: Ein kleiner, aber feiner Unterschied

Es sollte im Prinzip möglich sein, aus der Form des Gravitationswellensignals herauszulesen, ob an der Kollision ein Neutronenstern oder lediglich Schwarze Löcher beteiligt waren. Allerdings wird das wohl erst mit der dritten Detektorgeneration gelingen.
Neutronenstern kollidiert mit Schwarzem Loch
Aufwändige Computersimulationen geben einen Einblick, wie ein kompakter Neutronenstern verformt, zerrissen und seine Trümmer schließlich vom Schwarzen Loch verschlungen werden.

Es war ein nobelpreisprämierter Durchbruch: Im Februar 2016 stellte das Team des Gravitationswellendetektors LIGO in den USA das Gravitationswellensignal GW150914 der Weltöffentlichkeit vor. Zwei Schwarze Löcher mit jeweils ungefähr 30 Sonnenmassen waren in 1,3 Milliarden Lichtjahren Distanz zur Erde kollidiert und hatten für Sekundenbruchteile heftig das Gefüge von Raum und Zeit erschüttert. Derartige Raumzeitbeben erreichen als lichtschnelle Gravitationswellen die Erde und lassen sich in hochempfindlichen Laserinterferometern wie LIGO nachweisen.

Seither wurde Dutzende solcher Signale gemessen. Doch obwohl an den verheerenden Zusammenstößen manchmal auch Neutronensterne beteiligt sind, stammt der Großteil der detektierten Gravitationswellen von zwei Schwarzen Löchern, die zu einem größeren verschmelzen. Signale wie GW170817, bei dem zwei Neutronensterne aufeinandertrafen und sehr wahrscheinlich zu einem Schwarzen Loch wurden, haben bislang absoluten Seltenheitswert.

Forscherinnen und Forscher würden gerne aus den kosmischen Gravitationswellen selbst herauslesen können, was da genau zusammengestoßen ist, ohne zeitgleich gemessene elektromagnetische Signale hinzuziehen zu müssen. Verrät möglicherweise die Wellenform, ob es zwei Schwarze Löcher, zwei Neutronensterne oder ein Schwarzes Loch und ein Neutronenstern waren, die kollidierten? In der Fachzeitschrift »The Astrophysical Journal« berichtet nun ein Team um Stephanie Brown vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut), dass derzeitige Detektoren wie LIGO und Virgo noch nicht dazu in der Lage sind, die feinen Unterschiede in der Wellenform auszumachen. Erst mit der dritten Detektorgeneration könnte das gelingen.

Sowohl Neutronensterne als auch stellare Schwarze Löcher sind Überreste von Sternexplosionen, die im Gravitationskollaps massereicher Sterne entstehen. Typischerweise haben sie Massen von zwei bis einigen zehn Sonnenmassen. Derzeit ist weder die Maximalmasse eines Neutronensterns noch die Minimalmasse eines Schwarzen Lochs genau bekannt. Vermutlich liegt die Grenze zwischen zwei und drei Sonnenmassen. Entsprechend schwierig ist es, die Verschmelzungsarten eindeutig zu unterscheiden.

Die Gravitationswirkung eines Schwarzen Lochs hinterlässt Spuren

Das Team um Brown hat nun verschiedene Fälle mit Hilfe von Simulationen berechnet. Lange vor der Verschmelzung verformt die starke Gravitationswirkung eines Schwarzen Lochs den benachbarten Neutronenstern. Diese Gezeitenkräfte hinterlassen winzige Spuren im Gravitationswellensignal. Zudem tritt die materielle Komponente der Neutronensterne in der Wellenform in Erscheinung. Beides tritt nicht auf, wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen.

Laut der Analyse wäre das folgende Szenario ein Glücksfall: Ein relativ leichtes Schwarzes Loch mit etwa fünf Sonnenmassen zerreißt einen Neutronenstern von etwa einer Sonnenmasse. Bei derartigen Massenverhältnissen wäre der Gezeiteneffekt recht stark. Dieser stellare »Unfall« sollte jedoch nicht weiter als rund 130 Millionen Lichtjahre entfernt geschehen, weil sonst das Signal zu schwach wird.

Brown und ihr Team berichten, dass es grundsätzlich möglich sein sollte zu unterscheiden, ob ein Schwarzes Loch mit einem Schwarzen Loch oder ein Schwarzes Loch mit einem Neutronenstern kollidiert ist. Allerdings werden das die kommenden Ausbaustufen LIGO A+ und LIGO Voyager noch nicht schaffen. Erst mit den noch empfindlicheren Detektoren der dritten Detektorgeneration wie dem Cosmic Explorer oder dem Einstein-Teleskop könnte das gelingen.

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