Gravitationswellen: Klassische Schwarze Löcher erneut bestätigt
Wenn sich zwei Schwarze Löcher umkreisen und miteinander verschmelzen, werden Gravitationswellen erzeugt. Es war ein Durchbruch im Februar 2016, als bekannt gegeben wurde, dass ein solches Signal erstmals mit zwei Laserinterferometern des Detektors LIGO in den USA beobachtet werden konnte. Inzwischen sind Dutzende solcher Raumzeitwellen beobachtet worden. Sie haben eine charakteristische Form, die Chirp-Signal genannt wird.
Nun haben Forschende um Collin Capano vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover im Abklingen des Signals GW190521 zwei Frequenzen aufgespürt und ihre Funde im Fachjournal »Physical Review Letters« veröffentlicht. Das Signal ist bis auf maximal ein Prozent Abweichung konsistent mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie und bestätigt so erneut das Verhalten, wie es für klassische Schwarze Löcher vorhergesagt wird.
Der Weg zur Gravitationswellenastronomie
Die Existenz von Gravitationswellen wurde bereits von Albert Einstein im Rahmen seiner allgemeinen Relativitätstheorie vor etwas mehr als 100 Jahren vorhergesagt. Wenn Massen beschleunigt werden, versetzen sie die Raumzeit in Schwingungen. Diese breiten sich in alle Richtungen mit Lichtgeschwindigkeit aus. Allerdings ist ihre Stärke gering: Die Amplituden liegen im subatomaren Bereich.
Seit den 1970er Jahren wurden Detektoren entwickelt und immer weiter verbessert, um Gravitationswellen direkt zu messen. Es sind L-förmige Laserinterferometer, die kilometerlange Arme haben. Erst durch diese Größe und durch Laser, deren Strahlen vielfach entlang einem Arm gefaltet werden, werden die Detektoren empfindlich genug, um winzige Vibrationen des Raumzeitgefüges aufzuspüren. Das erste Signal dieser Art erhielt den Namen GW150914 und wurde am 14. September 2015 mit den zwei Laserinterferometeren LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) gemessen. Die beiden Detektoren in den USA, die rund 3000 Kilometer voneinander entfernt in Hanford und in Livingston installiert sind, haben eine Armlänge von jeweils vier Kilometern.
Das Durchbruchsignal war schon nach wenigen zehntel Sekunden verstummt. Es wurde von zwei Schwarzen Löchern mit ungefähr 30 Sonnenmassen erzeugt, die in rund einer Milliarde Lichtjahren Entfernung zur Erde miteinander verschmolzen waren. Das war die Geburtsstunde der Gravitationswellenastronomie. Die Messungen wurden mit dem Physik-Nobelpreis für drei führende LIGO-Wissenschaftler im Jahr 2017 gewürdigt. Seither wurden knapp 100 solcher Signale gemessen. Fast alle stammen von zwei Schwarzen Löchern, die sich erst umrundeten und dann kollidierten. Wenige Signale stammen von zwei Neutronensternen. Das Resultat einer solch kosmischen Katastrophe sind immer sich ausbreitende Gravitationswellen und die Bildung eines einzelnen Schwarzen Lochs nach dem Zusammenstoß.
Charakteristisches Zittern
Wenn zwei Schwarze Löcher sich umkreisen und schließlich verschmelzen, produzieren sie Gravitationswellen mit einem typischen Verlauf: Die Frequenz und die Amplitude der Gravitationswelle werden immer höher, bis die Schwarzen Löcher kollidieren. Dabei entsteht ein neues massereicheres Schwarzes Loch, das sich noch einmal »kräftig schüttelt«. Dann verstummt sehr plötzlich die Gravitationswelle, weil die Amplitude exponentiell schnell abklingt. Die charakteristische Wellenform wird in Fachkreisen Chirp-Signal genannt und sein abruptes Ende ist der Ringdown (englisch für: Abklingen).
Zweifaches Klingeln
Auch das Signal GW190521, das am 21. Mai 2019 mit LIGO und dem Gravitationswellendetektor Virgo in Italien gemessen wurde, zeigt diesen Verlauf. Capano vom AEI und sein Team haben es genau analysiert und stießen auf zwei Frequenzen, die sich im Ringdown-Teil des Signals verstecken. Capano vergleicht das Verhalten mit einer Glocke, deren Klang ebenfalls Töne verschiedener Frequenzen aufweist und schließlich verstummt. GW190521 enthält im Ringdown demzufolge einen Akkord aus zwei gedämpften Tönen, die auch als quasinormale Moden bezeichnet werden. Sie weisen Frequenzen von 63 und 98 Hertz auf.
Keine Haare
Das Signal hat eine Form, wie es von der Theorie vorhergesagt wird. Gravitationswellenformen lassen sich mit Hilfe der numerischen Relativitätstheorie auf Supercomputern simulieren. Die Forschenden fanden dabei keine Abweichungen vom klassisch erwarteten Verhalten. Insbesondere kursiert schon seit Jahrzehnten das Keine-Haare-Theorem (englisch: no-hair theorem), das der Relativitätstheoretiker John Wheeler aufbrachte. Es besagt, dass klassische Schwarze Löcher maximal drei Eigenschaften haben können: Masse, Rotation (Drehimpuls) und elektrische Ladung. Wie Glatzköpfe gleichen Schwarze Löcher einander, daher der Name des Theorems. Im gemessenen Signal wurden nur zwei Eigenschaften des resultierenden Schwarzen Lochs gefunden – Masse und Drehimpuls – und damit war das No-Hair-Theorem bestätigt.
Darüber hinaus konnte das Team um Capano in der Forschungsarbeit zwei Szenarien für das Entstehen des Gravitationswellensignals ausschließen: Es kann weder die Frontalkollision exotischer Sterne noch der Kollaps eines einzelnen Sterns mit einer Materiescheibe zu einem Schwarzen Loch gewesen sein.
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