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Pandemie: Grippeimpfung könnte Coronavirus-Infektionen reduzieren

Wer sich gegen Grippe impfen lässt, könnte ein geringeres Risiko haben, an Covid-19 zu erkranken. Darauf deutet eine Vorabveröffentlichung über Krankenhausmitarbeiter hin.
Wer sich gegen Grippe impfen lässt, kann helfen, das Gesundheitssystem zu entlasten.

Eine Schutzimpfung gegen Covid-19 gibt es bisher nicht, an Vakzinen gegen Sars-CoV-2 forschen Teams weltweit noch intensiv. Gegen Grippe aber können sich viele impfen lassen und so das Gesundheitssystem entlasten. Außerdem, darauf deutet nun eine neue Preprint-Studie hin, könnte die Grippeimpfung das Risiko für Covid-19 senken. Da es sich um einen Vorabdruck handelt, ist die Untersuchung allerdings noch nicht von Fachkolleginnen und -kollegen begutachtet.

Mehrere epidemiologische Studien haben nahegelegt, dass eine Grippeimpfung während der aktuellen Pandemie auch vor Covid-19 schützt, also eine gewisse Kreuzimmunität erzeugt. Der Mechanismus hinter einer solchen Wirkung ist jedoch unbekannt. Die neue Untersuchung liefert nun Hinweise darauf, dass ein Impfstoff gegen das Grippevirus den Körper dazu veranlassen könnte, breit wirksame Moleküle zu produzieren, die auch das derzeitige Pandemie-Virus bekämpfen.

»Anhand eines etablierten In-vitro-Modells zeigen wir, dass der vierwertige inaktivierte Grippeimpfstoff, der in den Niederlanden in der Grippesaison 2019/2020 eingesetzt wird, eine trainierte Immunantwort induzieren kann«, schreiben die Autorinnen und Autoren des Preprints. Dazu gehöre auch die Verbesserung der Zytokinreaktionen nach Stimulation menschlicher Immunzellen mit Sars-CoV-2. »Darüber hinaus stellten wir fest, dass die Infektion mit Sars-CoV-2 bei niederländischen Krankenhausmitarbeitern, die in der Wintersaison 2019/2020 eine Grippeimpfung erhalten hatten, seltener auftrat.«

Der direkte Nachweis steht aus

Einen eindeutigen Beweis liefert die Studie allerdings nicht. Beispielsweise sind Personen, die sich für eine Grippeimpfung entscheiden, möglicherweise gesundheitsbewusster und halten sich eher an die AHA- plus L-Empfehlungen für Covid-19 als Personen, die sich nicht impfen lassen, sagt die Immunologin Ellen Foxman gegenüber »Scientific American«. Ein direkter Nachweis von Ursache und Effekt besteht also nicht. Er lässt sich zudem nur schwierig zu erbringen.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Was für die Ergebnisse spricht, sind frühere Erhebungen. So haben andere Forscherteams bereits Impfstoffe gegen Grippe und andere Krankheiten mit einem geringeren Covid-19-Risiko in Verbindung gebracht. Beispielsweise fiel zwei Gruppen auf, dass die Covid-19-Raten in Regionen Italiens niedriger waren, in denen ein höherer Prozentsatz von Erwachsenen im Alter von 65 Jahren und älter einen Grippeimpfstoff erhalten hatte, wie sie in »Vaccines« und im »Journal of Medical Virology« berichtet haben. Und in einem im Juli veröffentlichten Preprint-Paper stellten Forscher fest, dass Erwachsene, die in den vergangenen fünf Jahren Impfstoffe etwa gegen Grippe, Masern-Mumps-Röteln (MMR), Hepatitis A oder B sowie Pneumokokken erhalten hatten, seltener positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden als Personen, die keinen dieser Impfstoffe erhalten hatten, wie unter anderem »Scientific American« berichtet. Weitere Untersuchungen in dem Bereich finden statt.

Jedes Jahr verursacht die Grippe weltweit 290 000 bis 650 000 Todesfälle. Impfungen helfen, diese Zahl zu verringern. In diesem Jahr gibt es weltweit auffallend wenig Grippefälle – vermutlich ist das ein Nebeneffekt der Corona-Maßnahmen. Diese haben jedoch in Deutschland bislang nicht ausgereicht, um eine rasante Ausbreitung des Coronavirus im Herbst zu verhindern.

Die Zahl der schwer an Covid-19 Erkrankten steigt

Bislang gibt es in Deutschland offiziell 481 013 Fälle, das sind 16 774 mehr als am Vortag (Stand: 29.10.2020, 0 Uhr). Seit Anfang September nimmt zudem der Anteil älterer Personen unter den Covid-19-Fällen zu. Das ist insofern Besorgnis erregend, als sie häufiger stark erkranken und Ärzte sie intensiv behandeln müssen.

Wegen der stark steigenden Fallzahlen und der teilweise nicht mehr nachvollziehbaren Ausbreitungswege des Virus ist das Leben in Deutschland ab dem 2. November wieder stärker eingeschränkt. Bis Ende des Monats gelten neue Kontaktbeschränkungen. Zudem hat die Regierung unter anderem entschieden, dass Restaurants wieder schließen und Hotels keine Touristen mehr aufnehmen dürfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die beschlossene Verschärfung der Corona-Regeln verteidigt: »Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.« Würde die Regierung warten, bis die Intensivstationen voll sind, »dann wäre es zu spät«, sagte sie in einer Ansprache am Donnerstag.

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