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Genregulation: Grippevirus manipuliert epigenetische Regulation der Zelle

H3N2 Grippeviren

Ein spezielles Protein des Influenzastammes H3N2 greift in den Verteidigungsmechanismus der Wirtszelle ein, indem es Strukturproteine der Chromosomen imitiert. Ein Team um Ivan Marazzi von der Rockefeller University in New York identifizierte im viralen Protein NS1 eine Aminosäuresequenz, die der eines Histonproteins gleicht. Über diese Gensequenz beeinflusst das Protein einen Enzymkomplex, der entscheidende Gene ausliest, mit denen sich die Zelle gegen virale Infektionen verteidigt. Die Forscher zeigten, dass das Virus ohne NS1 deutlich weniger effektiv ist.

Histone sind DNA-assoziierte Proteine, die nicht nur die Struktur der Chromosomen bewahren helfen, sondern deren chemische Veränderungen auch eine aktive Rolle bei der gezielten Regulation vieler Gene in ihrer Nachbarschaft spielen. Die Forscher durchsuchten die Sequenzen bekannter Influenzaproteine nach Aminosäurefolgen, die diesen regulatorischen Bereichen der Histonproteine ähneln, und wurden bei NS1 fündig: das Protein trägt eine Sequenz, die dem Histon-Protein H3 ähnelt, und in Versuchen stellten die Forscher fest, dass Proteine, die mit diesem Histon interagieren, auch an NS1 binden. Insbesondere entdeckten Kollegen bei Bindungsversuchen eine starke Affinität zu Bestandteilen des PAF1-Transkriptionsverlängerungskomplexes (hPAF1C), der wichtige Gene der antiviralen Reaktion aktiviert.

Experimente der Forscher zeigen, dass NS1 tatsächlich über diese histonartige Interaktion die Expression von Verteidigungsgenen behindert: In H3N2-infizierten Lungenzellen kam die Expression dieser Gene zum Stehen, während sie bei einem Angriff durch Viren mit inaktivem NS1 nicht beeinflusst wurden. Zellen wiederum, deren PAF1-Komplexe künstlich inaktiviert waren, konnten sich weniger gegen angreifende Viren wehren und reagierten auch in geringerem Maße auf Immunsignale wie Interferone, die im Körper ebenfalls an den Maßnahmen gegen virale Infektionen beteiligt sind. Die Forscher spekulieren, dass diese epigenetische Regulation eine wesentliche Rolle für die Balance zwischen der Aggressivität des Erregers und dem für seine Verbreitung wichtigen langfristigen Überleben des Wirts spielt und eine Erklärung dafür bietet, weshalb sich die Grippe so erfolgreich in menschlichen Populationen verbreitet.

  • Quellen
Nature 10.1038/nature10892, 2012

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