Geologie: Größter Vulkan des Sonnensystems im Pazifik entdeckt?
Der größte bekannte Vulkan des Sonnensystems befindet sich auf dem Mars: Der Olympus Mons ist rund 22 Kilometer hoch und hat einen Durchmesser von 600 Kilometern. Doch nun könnte ihm ein irdischer Vertreter den Rang streitig machen – zumindest was die Ausdehnung und Höhe angeht. Denn das Tamu-Massiv im nordwestlichen Pazifik, rund 1500 Kilometer vor der Küste Japans, scheint ähnlich gigantische Dimensionen einzunehmen. Das nämlich legen Daten von William Sager von der Texas A&M University in College Station und seinen Kollegen nahe.
Demnach bedeckt der Schildvulkan eine Fläche von 300 000 Quadratkilometern – das entspricht der Fläche Großbritanniens und Irlands zusammen – und hat eine "Höhe" von geschätzten 30 Kilometern. Allerdings verbirgt sich der größte Teil davon in der Tiefe: Das immense Gewicht des Feuerbergs drückt das Gebiet tief in den Erdmantel; seine Wurzel liegt weit unten in der ozeanischen Kruste. Vom Meeresgrund ragt er jedoch immer noch 4000 Meter in die Höhe, wobei sich zwischen Gipfel und Ozeanoberfläche weitere zwei Kilometer Wassersäule befinden. Allein was das Volumen anbelangt, übertrifft Olympus Mons seinen Gegenspieler auf der Erde um noch 25 Prozent.
Geologen wussten schon lange, dass sich in dieser Region Vulkane befinden, denn der Shatsky-Rücken, zu dem das Tamu-Massiv gehört, baut sich daraus auf. Bislang konnten sie aber nicht nachweisen, ob das Massiv nun aus einem einzigen, mächtigen Schildvulkan mit einem zentralen Schlot besteht oder ob es sich aus mehreren Quellen speist, die Lava fördern. Sagers Team hat deshalb die verfügbaren Daten ausgewertet – darunter seismische Messungen und Bohrkerne des globalen Tiefbohrprogramms. Das Ergebnis: Tatsächlich versorgt eine einzige Magmakammer den Vulkan, aus deren Lavaströmen er sich schließlich aufbaut. Diese flossen gleichmäßig nach allen Seiten vom zentralen Schlot aus ab; die Wissenschaftler konnten bislang keine zweite Austrittsstelle nachweisen.
Ähnlich wie der Olympus Mons fallen auch die Hänge des Tamu-Massivs extrem flach ab, was ihm ein für Schildvulkane eher ungewöhnliches Aussehen beschert. Deren Hänge sind normalerweise steiler wie beispielsweise beim Ätna, Kilimandscharo oder Mauna Loa auf Hawaii. Beim Tamu-Massiv hingegen fallen die Hänge am Gipfel nur um ein Grad ab, weiter hangabwärts reduziert sich das Gefälle sogar auf 0,5 Grad. Umgekehrt verdankt das Tamu-Massiv wahrscheinlich der sehr hohen Austrittsrate der Lava seine enorme Größe: Relativ flüssig wie sie war, konnte sie sich über eine große Fläche verteilen, während eine gigantische Magmablase beständig für Nachschub gesorgt hat.
Mehrere glückliche Umstände hätten laut Sager dazu beigetragen: Zum einen grenzen im Bereich des Massivs drei Platten aneinander, was in diesem Fall weit reichende Gesteinsschmelze begünstigt. Zum anderen ist die Erdkruste hier ausgedünnt, was den Aufstieg der Magma erleichtert. Und schließlich sorgte eine vorteilhafte Zusammensetzung des glutflüssigen Gesteins dafür, dass die Magma relativ gasarm und basaltisch war: Sie besaß daher optimale Fließeigenschaften. Entstanden ist der Riese vor 145 Millionen Jahren während des Übergangs von der späten Jura- zur frühen Kreidezeit, doch war sein Wachstum schon fünf Millionen Jahre später bereits wieder beendet. Heute gilt der Vulkan als erloschen.
Der größte noch aktive Vulkan der Erde ist der Mauna Loa; doch mit einer Grundfläche von nur 5200 Quadratkilometern nimmt er sich zwergenhaft gegen das Tamu-Massiv aus. Der Fund des Riesen spornt die Forscher daher an: Weltweit gibt es noch mehrere basaltische Plateaus in der Tiefsee, die womöglich ebenfalls von einem einzigen Vulkan geschaffen worden sind.
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