Genetik: Groppen im Rhein sind Bastarde
Die erst seit wenigen Jahren zu beobachtenden Groppen (Cottus gobio) im Rhein stammen von zwei Fisch-Stammlinien ab, die eine Million Jahre getrennt waren und sich erst durch den Kanalbau im Schelde-Rhein-Gebiet begegnen konnten. Die hybriden Nachkommen breiten sich invasionsartig im Flussunterlauf und angrenzenden stehenden Gewässern aus, obwohl die Art normalerweise die kühlen, sauerstoffreichen Oberläufe von Bächen und Flüssen besiedelt. Der verschmolzene Genpool ermöglichte ihnen offenbar, sich an die neuen Bedingungen anzupassen.
Arne Nolte von der Universität Köln und seine Kollegen hatten in der Westerschelde und am Rhein samt seinen großen Zuflüssen Main und Mosel sowie den kleineren Gewässern der Oberläufe Fische gefangen und neben der Morphologie auch die Mitochondrien-DNA untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die ausbreitenden Neulinge äußerlich den Verwandten in der Westerschelde ähneln, während sie genetisch ein Gemisch aus ursprünglichen Rhein- und Westerschelde-Vertretern darstellen. Die beiden Elternpopulationen haben den Analysen zufolge ihr Verbreitungsgebiet nicht ausgedehnt.
Die Wissenschaftler vermuten, dass der Kanalbau, der erstmals vor zwei Jahrhunderten Schelde und Rhein miteinander verband, einigen Exemplaren – vielleicht im Larvenstadium – den Weg in neue Lebensräume öffnete. Steinschüttungen in den Wasserstraßen dürften dabei zumindest vorübergehend ein Ersatzbiotop für die Tiere geboten haben. Wahrscheinlich seien Scheldebewohner in das Rheingebiet eingewandert, so Nolte und Co, da in dem niederländischen Gebiet bislang keine Angehörigen der neuen Groppenvariante nachgewiesen wurden. Im Laufe der Zeit habe sich dann eine Hybridpopulation gebildet, die sich auf Grund ihrer geringeren Ansprüche an den Lebensraum flussaufwärts ausbreiten konnte – mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit von einigen Kilometern pro Jahr.
In der Pflanzenwelt gibt es mehrere Beispiele dafür, dass sich hybride Nachkommen besser an andere Umgebungsbedingungen anpassen und so neue Lebensräume erobern können als die jeweiligen Eltern. Bei Tieren ist dergleichen bisher wenig bekannt.
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