News: Groß genug zum Übersehen
Der Neuroschaltplan unserer Gehirn-Verarbeitungszentren leistet beim Bewegungssehen ganze Arbeit - und entdeckt dabei manch Kleinteiliges leichter als zu große Brocken.
Sehen ist zugleich Alltag wie Schwerstarbeit für unser Gehirn: Aus den durch die Netzhaut "gesehenen" Informations-Rohdaten müssen zunächst Farbe, Form, Struktur und Bewegung einzelner Anschauungsobjekte sinnvoll destilliert und an übergeordnete Gehirnareale weitergeleitet werden – dort erst werden die neuronalen Vokabeln für "gelb", "rund" und "filzig" kombiniert und anschließend sinnvoll interpretiert, etwa als "Tennisball" – der sich rapide von schräg links unten nähert.
Sehen sollte in so einer Situation zuverlässig schnell gehen. Dabei stellt gerade die Bewegungswahrnehmung in unserer Umwelt besondere Anforderungen an den visuellen Apparat. Ein kniffliges Problem, sind doch "Bewegungen" letztlich nichts anderes als veränderliche Lichtinformationen auf der Netzhaut – und als solche eigentlich alltäglich, da sie ja schon bei jeder Kopfdrehung und Augenbewegung zwangsläufig ständig selbst gemacht auftreten. Wie unterscheiden unsere visuellen Verarbeitungszentren solche durch Blickrichtungsänderungen verursachte Lichtreizverschiebungen von wirklichen Objektbewegungen in unserer sichtbaren Umwelt? Duje Tadin von der Vanderbilt University und Kollegen suchten nach Antworten und nahmen dazu das visuelle Areal im medial temporalen Cortex (MT) näher unter die Lupe – den Ort der Verarbeitung von Bewegungsreizen im mittleren Schläfenlappen der menschlichen Großhirnrinde.
Hier sind die Neuronen nach einem häufigen sinnesphysiologischen Prinzip in so genannten rezeptiven Feldern organisiert. Verschiedene rezeptive Felder, jeweils kreisförmig räumlich begrenzte Ansammlungen benachbarter Neuronen, repräsentieren dabei jeweils auch bestimmte Bereiche des wahrnehmbaren Sichtfeldes. Bewegungen, die nur innerhalb dieses Sichtbereiches erfolgten, aktivieren auch nur die Neuronen des dafür zuständigen rezeptiven Feldes, die daraufhin als einzige Neuronen auch ihre Bewegungsinformation weitergeben. Innerhalb eines rezeptiven Feldes liegen zudem verschiedene spezialisierte Neuronen, die unterschiedlich stark auf Bewegungen von oben, unten, links und rechts ansprechen – und so kann der nachgeschaltete Gehirnapparat aus dem Aktivitätsmuster aller MT-Neuronen schließlich eine definierte Bewegung ableiten, etwa die tennisballverursachte, nach rechts oben gerichtete im linken unteren Sichtfeldbereich.
Umgeben sind die rezeptiven Felder im MT jeweils von einem größeren Areal mit Neuronen einer völlig gegensätzlichen Funktion: Werden diese Rezeptoren gereizt, dann hemmen sie die benachbarten Neuronen des inneren rezeptiven Feldes. Genau diese Anordnung ist der Kniff, mit dem unser Sinnessystem verhindert, bei jeder Kopfdrehung eine vermeintliche Bewegung der Umwelt wahrzunehmen: Schließlich werden bei einem Augenschwenk über die Umgebung alle rezeptiven Felder aktiviert und zugleich alle der sie umgebenden hemmenden Neuronen: unter dem Strich summieren sich Gesamtaktivierung und -hemmung zu null.
Am effizientesten, dachten sich die Wissenschaftler um Tadin, sollte mit diesem neuronalen Schaltprinzip demnach die Bewegung eines Objektes wahrgenommen werden, welches alle Neuronen eines typischen rezeptiven Feldes aktiviert, ohne dabei gleichzeitig hemmende Neurone in der dazugehörigen umgebenden Peripherie zu reizen – kurz, dieses Objekt müsste eine ganz bestimmte Größe haben, die genau das rezeptive Feld auf der Netzhaut abdeckt. Diese optimale Größe versuchten sie mit einigen Probanden herauszubekommen – sie testeten deren Bewegungssehen mit verschiedenen Reizmustern unterschiedlicher Geschwindigkeiten, Größe und Kontrast.
Tatsächlich: die Bewegung eines tennisballgroßen Kreises im Armabstand nahmen die Versuchsteilnehmer stets deutlich am besten war. Ein fußballgroßes, bewegliches Objekt dagegen wurde weniger effizient gesehen – offenbar deckte es neben den rezeptiven Feldern auch die hemmende Umgebung ab.
Je ähnlicher die Größe bewegter Objekte der hemmenden Umgebungsregion seien, meint Lappin, "desto häufiger werden sie als Hintergrund-Bewegung interpretiert" – und desto weniger gut sichtbar seien sie. Ob Fußballer demnach aber immer auch größere Reaktionskünstler als Tennisspieler sein müssen, lässt die Arbeit unbeantwortet: Bei schwierigen Sichtbedingungen, etwa sehr niedrigem Kontrast zwischen bewegtem Objekt und Hintergrund, mache sich der gemessene Größeneffekt zunehmend weniger bemerkbar. Dies deute darauf hin, das unter solchen Umständen noch ein anderes Bewegungs-Sehsystem im Einsatz ist – dem die Wissenschaftler in nachfolgenden Untersuchungen auf die Spur kommen wollen.
Sehen sollte in so einer Situation zuverlässig schnell gehen. Dabei stellt gerade die Bewegungswahrnehmung in unserer Umwelt besondere Anforderungen an den visuellen Apparat. Ein kniffliges Problem, sind doch "Bewegungen" letztlich nichts anderes als veränderliche Lichtinformationen auf der Netzhaut – und als solche eigentlich alltäglich, da sie ja schon bei jeder Kopfdrehung und Augenbewegung zwangsläufig ständig selbst gemacht auftreten. Wie unterscheiden unsere visuellen Verarbeitungszentren solche durch Blickrichtungsänderungen verursachte Lichtreizverschiebungen von wirklichen Objektbewegungen in unserer sichtbaren Umwelt? Duje Tadin von der Vanderbilt University und Kollegen suchten nach Antworten und nahmen dazu das visuelle Areal im medial temporalen Cortex (MT) näher unter die Lupe – den Ort der Verarbeitung von Bewegungsreizen im mittleren Schläfenlappen der menschlichen Großhirnrinde.
Hier sind die Neuronen nach einem häufigen sinnesphysiologischen Prinzip in so genannten rezeptiven Feldern organisiert. Verschiedene rezeptive Felder, jeweils kreisförmig räumlich begrenzte Ansammlungen benachbarter Neuronen, repräsentieren dabei jeweils auch bestimmte Bereiche des wahrnehmbaren Sichtfeldes. Bewegungen, die nur innerhalb dieses Sichtbereiches erfolgten, aktivieren auch nur die Neuronen des dafür zuständigen rezeptiven Feldes, die daraufhin als einzige Neuronen auch ihre Bewegungsinformation weitergeben. Innerhalb eines rezeptiven Feldes liegen zudem verschiedene spezialisierte Neuronen, die unterschiedlich stark auf Bewegungen von oben, unten, links und rechts ansprechen – und so kann der nachgeschaltete Gehirnapparat aus dem Aktivitätsmuster aller MT-Neuronen schließlich eine definierte Bewegung ableiten, etwa die tennisballverursachte, nach rechts oben gerichtete im linken unteren Sichtfeldbereich.
Umgeben sind die rezeptiven Felder im MT jeweils von einem größeren Areal mit Neuronen einer völlig gegensätzlichen Funktion: Werden diese Rezeptoren gereizt, dann hemmen sie die benachbarten Neuronen des inneren rezeptiven Feldes. Genau diese Anordnung ist der Kniff, mit dem unser Sinnessystem verhindert, bei jeder Kopfdrehung eine vermeintliche Bewegung der Umwelt wahrzunehmen: Schließlich werden bei einem Augenschwenk über die Umgebung alle rezeptiven Felder aktiviert und zugleich alle der sie umgebenden hemmenden Neuronen: unter dem Strich summieren sich Gesamtaktivierung und -hemmung zu null.
Am effizientesten, dachten sich die Wissenschaftler um Tadin, sollte mit diesem neuronalen Schaltprinzip demnach die Bewegung eines Objektes wahrgenommen werden, welches alle Neuronen eines typischen rezeptiven Feldes aktiviert, ohne dabei gleichzeitig hemmende Neurone in der dazugehörigen umgebenden Peripherie zu reizen – kurz, dieses Objekt müsste eine ganz bestimmte Größe haben, die genau das rezeptive Feld auf der Netzhaut abdeckt. Diese optimale Größe versuchten sie mit einigen Probanden herauszubekommen – sie testeten deren Bewegungssehen mit verschiedenen Reizmustern unterschiedlicher Geschwindigkeiten, Größe und Kontrast.
Tatsächlich: die Bewegung eines tennisballgroßen Kreises im Armabstand nahmen die Versuchsteilnehmer stets deutlich am besten war. Ein fußballgroßes, bewegliches Objekt dagegen wurde weniger effizient gesehen – offenbar deckte es neben den rezeptiven Feldern auch die hemmende Umgebung ab.
Je ähnlicher die Größe bewegter Objekte der hemmenden Umgebungsregion seien, meint Lappin, "desto häufiger werden sie als Hintergrund-Bewegung interpretiert" – und desto weniger gut sichtbar seien sie. Ob Fußballer demnach aber immer auch größere Reaktionskünstler als Tennisspieler sein müssen, lässt die Arbeit unbeantwortet: Bei schwierigen Sichtbedingungen, etwa sehr niedrigem Kontrast zwischen bewegtem Objekt und Hintergrund, mache sich der gemessene Größeneffekt zunehmend weniger bemerkbar. Dies deute darauf hin, das unter solchen Umständen noch ein anderes Bewegungs-Sehsystem im Einsatz ist – dem die Wissenschaftler in nachfolgenden Untersuchungen auf die Spur kommen wollen.
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