Küstenerosion: Großbritannien schrumpft schneller
Eine Art weiterer Brexit macht sich langsam, aber mit zunehmendem Tempo an Englands südlicher Küste bemerkbar: Die Kreidefelsen von Sussex bröckeln offensichtlich beschleunigt ins Meer, so eine Studie von Martin Hurst von der University of Glasgow und seinem Team. Über Jahrtausende hinweg habe sich demnach die Küste in dieser Region um 2 bis 6 Zentimeter pro Jahr zurückgezogen, doch habe sich dieser Prozess während der letzten 150 Jahre auf 22 bis 32 Zentimeter pro Jahr beschleunigt, erläutern die Geowissenschaftler. Daten zur Küstenerosion werden erst seit dem 19. Jahrhundert genau erfasst, weshalb Hurst und Co für ihre Berechnung des früheren Abtrags eine Isotopenanalyse heranziehen mussten. Mit Hilfe von Beryllium-10 lässt sich datieren, wann Gesteine frei gelegt wurden, wie es bei den schwindenden Kreidefelsen der Fall ist. Über ein Modell der Küstendynamik erhielten die Forscher den langsamen Abtrag seit Ende der letzten Eiszeit, die sie mit den neueren Messungen vergleichen konnten.
Mehrere Faktoren sind an dieser Entwicklung beteiligt: Zum einen trafen in den vergangenen Jahrzehnten stärkere Stürme und damit auch eine wuchtigere Brandung auf die Küste Sussex, die an den Felsen nagen. Einen direkten Zusammenhang zum Klimawandel sehen die Wissenschaftler nicht, da sich die Erosion schon vor 150 Jahren deutlich verstärkte, bevor der menschengemachte Klimawandel eingesetzt hat. Vielmehr spielten menschliche Eingriffe in die Küstenstruktur eine herausgehobene Rolle, so die Forscher. Baumaßnahmen westlich der am stärksten betroffenen Kliffabschnitte hätten zwar die Ufer geschützt, jedoch verringerten sich dadurch gleichzeitig die Sedimentmengen, die dort zuvor ins Meer gespült wurden. Normalerweise lagerten diese sich vor den Klippen ab und verbreiterten den Strand beziehungsweise flachten die Strandplatte im Meer ab. Entsprechend verloren die Wellen mehr Energie, wenn sie gegen die Küste aufliefen. Mangels Material verringerte sich seitdem die Schutzwirkung, und die Brandung trifft mit größerer Wucht auf die Felsen – was wiederum die stärkere Erosion erklärt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.