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News: Grüne Gülle

Es ist längst ein alter Hut, dass mit der Massentierhaltung vielfältige Umweltprobleme einhergehen. Insbesondere die als "Wirtschaftsdünger" auf die Felder ausgebrachten Ausscheidungen des Viehs haben es in sich: Mit ihnen gelangen neben Arzneimittelwirkstoffen auch andere unerwünschte Substanzen wie Nitrate, Ammonium und Phosphate in die Natur. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, kreierten nun Forscher genetisch veränderte Schweine, die zumindest Phosphorverbindungen besser verwerten können und somit "grünere" Gülle produzieren.
Der Mineralstoff Phosphor ist für Organismen ein wichtiges Lebenselexier: In Form von Phosphaten ist er ein bedeutender Puffer im Säure-Basen-Haushalt und Hauptbestandteil der Gerüstsubstanz von Knochen und Zähnen. Darüber hinaus spielt er als Baustein der DNA sowie der Energiewährung ATP in Zellen eine zentrale Rolle.

Insbesondere Nutztiere wie Schweine, die in landwirtschaftlichen Großanlagen innerhalb kürzester Zeit schlachtreif gemästet werden, benötigen viel Phosphat. Dieses ist auch im Überfluss in den pflanzlichen Futtermitteln enthalten, wo es überwiegend gebunden in Form von Phytaten – den Salzen der Phytinsäure – vorliegt. Unglücklicherweise ist es für Schweine nur schwer verdaulich, da ihnen das zur Verwertung notwendige Enzym Phytase fehlt, das die Phosphorverbindungen unter Freisetzung von Phosphaten spaltet.

Um diesen Mangel auszugleichen, mischen die Hersteller von Kraftfutter zusätzlich Phosphat in die Schweinenahrung. Doch die Tiere scheiden es zum größten Teil wieder aus. Als Gülle auf die Felder ausgebracht, gelangt es anschließend in die Umwelt – mit fatalen Folgen: Denn der Mineralstoff reichert sich nicht nur in den Äckern selbst an, sondern gelangt ebenfalls in Bäche und Flüsse. In langsam fließenden Gewässern können überhöhte Phosphatkonzentrationen eine Algenblüte auslösen, wodurch den dort vorkommenden Kleinlebewesen und Fischen die Lebensgrundlage Sauerstoff entzogen wird.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sind Forscher schon seit längerer Zeit auf der Suche nach umweltfreundlichen Alternativen zu den Phosphatbeimischungen. So extrahierten sie beispielsweise das Enzym Phytase aus Boden-Mikroorganismen und fügten es dem Schweinefutter hinzu, damit die Nutztiere die pflanzlichen Phosphorverbindungen besser aufschließen können.

Nun verfolgten Serge Golovan und seine Kollegen von der University of Guelph einen weiteren Ansatz. Dazu isolierten sie das Phytase-Gen des Bakteriums Escherichia coli, das zehnmal effektiver Phytate spaltet als das im Viehfutter enthaltene, und pflanzten es in die Erbinformation von Schweinen ein. Daraufhin produzierten die Nutztiere in ihrem Speichel das entsprechende Enzym und konnten nahezu alle Phosphate in der pflanzlichen Nahrung verwerten. Die Beimischung des Minerals in das Kraftfutter konnte in diesem Fall unterbleiben.

Und dies wirkte sich äußerst positiv auf die Umwelt aus. Gülleanalysen der derartig manipulierten Schweine enthüllten nämlich, dass die Tiere 75 Prozent weniger Phosphor ausscheiden als ihre unbehandelten Artgenossen. Auch im Vergleich mit den Schweinen, die Phytase-reiche Nahrung erhielten, schnitten die genetisch modifizierten Schweine hinsichtlich der Phosphorausscheidungen deutlich umweltfreundlicher ab. Zudem ist dieser Ansatz auf lange Sicht vermutlich wesentlich kostengünstiger, wie Golovan betont. Es sei zwar teuer, die gentechnisch veränderten Schweine herzustellen, aber dann würden sie sich wie ihre normalen Artgenossen vermehren und somit das Phytase-Gen an ihre Ferkel weiter vererben.

"Es ist eine enorm wichtige Forschungsarbeit", hebt Harry Gilbert von der University of Newcastle hervor. "Sie zeigt, dass genetisch modifizierte Tiere nützliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können – und dass die beiden Hand-in-Hand gehen können." Joe Rudek von der Organisation Environmental Defense gibt hingegen zu Bedenken, dass Nutztiere, die Bakteriengene enthalten und zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, Fragen hinsichtlich der Sicherheit von Nahrungsmitteln aufwerfen. Er plädiert deshalb dafür, die überschüssigen Phosphate lieber aus der Gülle zu entfernen und sie in nützliche Produkte wie Nahrungsergänzungen für Fischfarmen umzuwandeln.

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