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Energiegewinnung: Grüner Treibstoff - blutrot

Kein Labor der Welt kann nachahmen, was jede Balkonpflanze nebenbei erledigt: Energie aus Sonnenlicht in Energievorrat für den Eigenbedarf umwandeln. Nun soll bald eine rote Alternative den Prozess rund um das grüne Chlorophyll simulieren - und Lichtfang mit der Hilfe von Blut eine hoffnungsvolle Route zur sauberen Energie werden.
Hämoglobin
Blut ist auch für das Forscherteam um Stephen Curry vom Imperial College London, Eishun Tsuchida von der Waseda-Universität in Tokio und seinen Kollegen Teruyuki Komatsu ein ganz besonderer Saft – allerdings aus nicht ganz alltäglichen Gründen. Eigentlich stand nur Grundlagenforschung über die Chemie seiner Inhaltsstoffe an. Doch Komatsu verfiel der verführerischen Idee, daraus lichthungrige Energiequelle zu bauen. Eine transsilvanisch anmutende Zukunftsvision, mehr nicht? Eine realistische Perspektive, meinen die Wissenschaftler aus Großbritannien, Japan und China: Sie bastelten mit den Proteinen Albumin und Porphyrin einen Molekülkomplex, der Lichtenergie einfängt und damit dem Wasser seinen Wasserstoff abzwackt.

Die beiden Proteine zirkulieren in großen Mengen durch unsere Adern und übernehmen dabei wichtige Aufgaben. Albumin gleicht einem molekularen Schwamm: Es regelt den Wasserhaushalt in den Blutgefäßen und schleust wasserunlösliche Stoffe durch unseren Kreislauf. Porphyrin dagegen kutschiert gewöhnlich den Sauerstoff durch unsere Gefäße.

Komatsu kam nun auf die Idee, das Sauerstoff transportierende Porphyrin in ihrem Sinne umzumodeln. Dazu ersetzten die Forscher zuerst das typische Eisen-Atom im Herzen des Moleküls – es verleiht ihm die schnittige rote Farbe – durch ein Zink-Atom und stellten damit seinen chemischen Charakter auf den Kopf. Damit nicht genug, schnallten sie zur Krönung dem umgebauten Transporter noch das chemisch leicht modifizierte Albumin auf.

Ihr so radikal getuntes Sauerstoff-Taxi zeigt die von Komatsu vorhergesagten Talente: Aktiviert durch Licht reduziert der Molekülkomplex in Windeseile ein H aus dem H2O zu elementarem Wasserstoff, der aus dem Gemisch entweicht. Zurück bleiben Hydroxid-Ionen. Dabei arbeitet das Team von Albumin und Porphyrin als Rädelsführer einer Bande von Reaktionspartnern: Es bezieht aus dem Licht seine Energie, um einem benachbarten Statisten, dem "TEOA" (Triethanolamin), ein Elektron zu entreißen. Das gibt es sofort weiter an einen Mittelsmann, "MV2+" (Methyl-Viologen), der damit schließlich Wasserstoff aus dem Wasser erlöst: Über dem Gemisch entsteht – genug Licht vorausgesetzt – eine stetig wachsende H2-Blase. Die rote Energiealternative ersetzt damit zugleich die Solarzelle und den Elektrolyseapparat, der im herkömmlichen Verfahren via Elektrizität das "Knallgas"-Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff, Nahrung für die Brennstoffzelle, herstellt.

Die Idee zu ähnlichen Verfahren ist nicht neu. Allerdings kamen als Reagenzien bislang nur schwer zu produzierende Riesenmoleküle zum Einsatz – und die waren auch noch nach Minuten unbrauchbar und damit zur Energiegewinnung ungeeignet. Die Allianz der beiden Blutmoleküle Albumin und Porphyrin dagegen produzierte im Labor für Stunden emsig den begehrten Wasserstoff – und bringt damit eine neue Perspektive für die Forschung an erneuerbaren Energien. Allerdings muss das Gemisch regelmäßig mit neuem TEOA aufgefrischt werden. Außerdem zerstört das Licht nach einiger Zeit das Porphyrin.

Für Stephen Curry zeigt der lichthungrige Blutbestandteil aber mustergültig das große Potenzial, das Naturstoffe mittels kleiner Manipulationen frei setzen können: "Es ist sehr spannend, dass wir biologische Strukturen nutzen können, um Sonnenenergie einzufangen und damit Wasserstoff herzustellen." Bleibt noch die Frage, ob zur Energiedeckung per Bluteiweiß ein steter menschlicher Aderlass nötig wird. Zur Beruhigung: Schon heute können die benötigten Moleküle Albumin und Porphyrin auch ohne Menschenblut besorgt werden. Für die Albumingewinnung pflanzt man, ähnlich wie bei der Herstellung von Blutgerinnungspräparaten, Mikroorganismen die Gensequenzen zu seiner Produktion ein. Das Porphyrin wird dagegen wirklich aus Blut extrahiert – allerdings aus dem von Rindern.

Sicherlich, so Curry, müsse die Produktion der Proteine billiger und die Lebensdauer des Porphyrins länger werden. "Langfristig können diese synthetischen Moleküle jedoch den Weg zu einer umweltfreundlicheren Produktion von Wasserstoff ebnen, der den grünen Treibstoff liefert." Dann hieße es allerdings Rinderblut für Öl – was manchen Freunden erneuerbarer Energien nicht unbedingt schmecken dürfte.

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