Textilforschung: Gummi auf der Haut
Großbrände, Terroralarme, Seuchenausbrüche: Wo solche Katastrophen passieren, tauchen oft Einsatzkräfte mit Schutzkleidung auf. Kaum jemand fragt sie, ob sie sich in ihrer Kluft wohlfühlen.
Der Mensch im Schutzanzug gehört zum Bild der modernen Gesellschaft. Meist sieht man ihn von Ferne, hinter rotweißen Absperrungen. Strahlend weiß, knallig orange oder leuchtend gelb flimmert er auf Fernsehschirmen, klaubt verrottete Vögel vom Strand, durchsucht Büros nach Terrorgiften oder steckt Hühner in Plastiktüten.
Der Mensch im Schutzanzug strahlt Faszination aus. Das war schon vor zehn Jahren so, als der Film "Outbreak" in die Kinos kam. Die Schauspieler Dustin Hoffman und Rene Russo, angetan mit einer bunten Ganzkörperhülle, rücken darin einem Killervirus zu Leib. Die Filmplakate zeigten vor allem dieses Motiv: Die Gesichter der Darsteller hinter dem Glas des Schutzhelms. Ein starkes Bild, der Streifen lief fantastisch.
Aber wie fühlt sich ein Mensch im Schutzanzug? Nicht immer gut. "Ein großes Problem ist der Schweiß", sagt Volkmar Bartels vom bekleidungsphysiologischen Institut Hohenstein in Bönnigheim.
Nur so viel Sicherheit wie nötig
Bartels hat gemeinsam mit seinen Institutskollegen eine große Forschungsstudie durchgeführt. Sie untersuchten, wie sich der Tragekomfort von Chemikalienschutzanzügen verbessern lässt. Dabei nahmen sie ABC-Schutzkleidung unter die Lupe, Chemiewerkeranzüge, Einweg-Schutzanzüge und Kleidungsstücke aus hochfesten Chemiefasern, die man zum Beispiel für schusssichere Westen verwendet.
Die wichtigste Erkenntnis der Forscher: Je besser die Schutzwirkung, umso unwohler fühlt sich der Träger. "Wer einen Schutzanzug anschafft, sollte sich ganz genau überlegen, wofür er ihn braucht", sagt Bartels. Es solle nur so viel Schutz zur Verfügung stehen, wie wirklich benötigt wird.
Besonders drastisch zeige sich das am Beispiel der US-Feuerwehr. "Von den amerikanischen Feuerwehrleuten, die im Einsatz umkommen, stirbt die Hälfte an Überlastung – Hitzschlag, Kreislaufzusammenbruch und Herzversagen", so Bartels.
Das Problem des Wasser- und Hitzestaus gibt es bei fast jeder Schutzkleidung, auch beim ganz alltäglichen Chemiewerkeranzug – eine Art Blaumann zum Abhalten von Chemikalienspritzern, wie ihn Industriearbeiter tragen. Helfen können hier so genannte Laminate, das sind Verbundmaterialien aus unterschiedlichen Stoffen. "Ein Laminat besteht typischerweise aus drei Schichten: einem hautfreundlichen Unterstoff aus natürlichem Material, einer Folie aus Teflon und einem Oberstoff aus Chemiefasern", sagt Jan Beringer, Textilchemiker an dem Bönnigheimer Institut. Das gleiche Prinzip fände sich bei Gore-Tex-Kleidung. Die Versuche hätten gezeigt, dass Laminate die Körperwärme und den Schweiß besser ableiten können als herkömmliche Materialien.
Lästige Nebeneffekte
Ein weiteres Problem sei, dass Schutzkleidung innen, wo sie auf der Haut liegt, oft sehr glatt ist – besonders bei synthetischen Fasern. Auf schweißnasser Haut könne sie ankleben, was großes Unbehagen verursache. "Das lässt sich vermeiden, indem die Kleidung innen aufgeraut wird, so dass ein Abstand zur Hautoberfläche entsteht", sagt Bartels. Eine Möglichkeit hierfür sei, für die Innenseite der Garnitur eine Stoffschicht aus Spinnfasern zu verwenden.
Wegen der synthetischen Fasern laden sich manche Schutzanzüge zudem elektrostatisch stark auf. Fasst der Träger dann eine Türklinke oder einen Wasserhahn an, kann ein Funke überspringen. "Das ist für den Menschen nicht nur unangenehm, sondern kann auch richtig gefährlich werden – wenn sich der Anzugträger etwa in explosionsgefährdeten Räumen aufhält", erklärt Bartels. Daher sei für viele Schutzanzüge vorgeschrieben, dass sie sich beim Tragen nicht nennenswert aufladen.
Am wirkungsvollsten schirmt ABC-Schutzkleidung ab. Sie enthält Schichten aus Aktivkohle – extrem fein zerstäubtem Kohlenstoff, der unter anderem eindringende Kampfgase bindet. Die Versuche der Bönnigheimer Forscher haben gezeigt, dass die Aktivkohle den Schweiß des Anzugträgers aufnimmt. Das, so Bartels, sei einerseits nicht schlecht, weil die Körperfeuchte sich nicht auf der Haut sammle. Andererseits würde der Anzug dadurch dicker, schwerer und steifer. Das könne Hautreizungen verursachen und bewirke, dass die Ausdünstungen des Körpers immer schlechter abgeleitet werden. Die Empfehlung der Wissenschaftler: ABC-Kleidung soll mit nur so viel Aktivkohle ausgestattet werden wie unbedingt erforderlich.
Mit künstlicher Haut und Kupfer-Puppen
"Natürlich lassen wir den Komfort von Schutzkleidung auch von echten Menschen beurteilen", sagt Bartels. Allerdings seien solche Versuche sehr aufwändig. Denn Menschen unterscheiden sich in ihrem Empfindungen sehr stark, sowohl untereinander als auch von Tag zu Tag. "Bis wir einigermaßen aussagekräftige Messergebnisse bekommen," so Bartels, "müssen wir viele Anproben mit vielen Teilnehmern durchführen – das dauert und kostet."
Die Bönnigheimer Forscher hören immer wieder Klagen über unbequeme Schutzanzüge – vor allem aus der Industrie und im Sommer. Viele dieser Probleme, meint Bartels, seien vermeidbar.
Der Mensch im Schutzanzug strahlt Faszination aus. Das war schon vor zehn Jahren so, als der Film "Outbreak" in die Kinos kam. Die Schauspieler Dustin Hoffman und Rene Russo, angetan mit einer bunten Ganzkörperhülle, rücken darin einem Killervirus zu Leib. Die Filmplakate zeigten vor allem dieses Motiv: Die Gesichter der Darsteller hinter dem Glas des Schutzhelms. Ein starkes Bild, der Streifen lief fantastisch.
Aber wie fühlt sich ein Mensch im Schutzanzug? Nicht immer gut. "Ein großes Problem ist der Schweiß", sagt Volkmar Bartels vom bekleidungsphysiologischen Institut Hohenstein in Bönnigheim.
"Ein großes Problem ist der Schweiß"
(Volkmar Bartels)
Viele Schutzkombinationen hätten wasserabweisende Eigenschaften, sie ließen das nasse Element nicht hinein – aber auch nicht heraus. Die Folge: Die Körperfeuchte sammelt sich, der Anzug durchnässt innerlich. "Dies", so Bartels, "wird vom Träger als sehr unangenehm empfunden." (Volkmar Bartels)
Nur so viel Sicherheit wie nötig
Bartels hat gemeinsam mit seinen Institutskollegen eine große Forschungsstudie durchgeführt. Sie untersuchten, wie sich der Tragekomfort von Chemikalienschutzanzügen verbessern lässt. Dabei nahmen sie ABC-Schutzkleidung unter die Lupe, Chemiewerkeranzüge, Einweg-Schutzanzüge und Kleidungsstücke aus hochfesten Chemiefasern, die man zum Beispiel für schusssichere Westen verwendet.
Die wichtigste Erkenntnis der Forscher: Je besser die Schutzwirkung, umso unwohler fühlt sich der Träger. "Wer einen Schutzanzug anschafft, sollte sich ganz genau überlegen, wofür er ihn braucht", sagt Bartels. Es solle nur so viel Schutz zur Verfügung stehen, wie wirklich benötigt wird.
Besonders drastisch zeige sich das am Beispiel der US-Feuerwehr. "Von den amerikanischen Feuerwehrleuten, die im Einsatz umkommen, stirbt die Hälfte an Überlastung – Hitzschlag, Kreislaufzusammenbruch und Herzversagen", so Bartels.
"Wer einen Schutzanzug anschafft, sollte sich ganz genau überlegen, wofür er ihn braucht"
(Volkmar Bartels)
Häufig seien die Schutzanzüge verantwortlich, weil sie den Schweiß und damit die Körperwärme nicht ausreichend ableiten. Die schützende Wirkung der Anzüge zu erhöhen, ergäbe für die Feuerwehrleute keinen Sinn: Körperliche Überlastung steht unter ihren Todesursachen an erster Stelle, weit vor allen anderen Risiken. (Volkmar Bartels)
Das Problem des Wasser- und Hitzestaus gibt es bei fast jeder Schutzkleidung, auch beim ganz alltäglichen Chemiewerkeranzug – eine Art Blaumann zum Abhalten von Chemikalienspritzern, wie ihn Industriearbeiter tragen. Helfen können hier so genannte Laminate, das sind Verbundmaterialien aus unterschiedlichen Stoffen. "Ein Laminat besteht typischerweise aus drei Schichten: einem hautfreundlichen Unterstoff aus natürlichem Material, einer Folie aus Teflon und einem Oberstoff aus Chemiefasern", sagt Jan Beringer, Textilchemiker an dem Bönnigheimer Institut. Das gleiche Prinzip fände sich bei Gore-Tex-Kleidung. Die Versuche hätten gezeigt, dass Laminate die Körperwärme und den Schweiß besser ableiten können als herkömmliche Materialien.
Lästige Nebeneffekte
Ein weiteres Problem sei, dass Schutzkleidung innen, wo sie auf der Haut liegt, oft sehr glatt ist – besonders bei synthetischen Fasern. Auf schweißnasser Haut könne sie ankleben, was großes Unbehagen verursache. "Das lässt sich vermeiden, indem die Kleidung innen aufgeraut wird, so dass ein Abstand zur Hautoberfläche entsteht", sagt Bartels. Eine Möglichkeit hierfür sei, für die Innenseite der Garnitur eine Stoffschicht aus Spinnfasern zu verwenden.
Wegen der synthetischen Fasern laden sich manche Schutzanzüge zudem elektrostatisch stark auf. Fasst der Träger dann eine Türklinke oder einen Wasserhahn an, kann ein Funke überspringen. "Das ist für den Menschen nicht nur unangenehm, sondern kann auch richtig gefährlich werden – wenn sich der Anzugträger etwa in explosionsgefährdeten Räumen aufhält", erklärt Bartels. Daher sei für viele Schutzanzüge vorgeschrieben, dass sie sich beim Tragen nicht nennenswert aufladen.
Am wirkungsvollsten schirmt ABC-Schutzkleidung ab. Sie enthält Schichten aus Aktivkohle – extrem fein zerstäubtem Kohlenstoff, der unter anderem eindringende Kampfgase bindet. Die Versuche der Bönnigheimer Forscher haben gezeigt, dass die Aktivkohle den Schweiß des Anzugträgers aufnimmt. Das, so Bartels, sei einerseits nicht schlecht, weil die Körperfeuchte sich nicht auf der Haut sammle. Andererseits würde der Anzug dadurch dicker, schwerer und steifer. Das könne Hautreizungen verursachen und bewirke, dass die Ausdünstungen des Körpers immer schlechter abgeleitet werden. Die Empfehlung der Wissenschaftler: ABC-Kleidung soll mit nur so viel Aktivkohle ausgestattet werden wie unbedingt erforderlich.
Mit künstlicher Haut und Kupfer-Puppen
Die Forscher aus Bönnigheim widmen sich der Untersuchung von Schutzkleidung schon seit vielen Jahren. Für ihre Experimente haben sie ausgefeilte Methoden entwickelt. Zum Beispiel verfügen sie über eine Apparatur zum Nachahmen menschlicher Haut: eine spezielle Edelstahlplatte mit vielen kleinen Öffnungen. Diese Platte bringen die Forscher auf 35 Grad Celsius – die typische Oberflächentemperatur eines Menschen – und führen von unten Wasser zu. Aus den Öffnungen entweicht dann ungefähr soviel Wasserdampf wie aus den Hautporen eines Erdenbürgers.
"Im Lauf einer Nacht", erklärt Bartels, "sondert jeder von uns etwa ein Viertelliter Wasser über die Körperoberfläche ab – das landet alles in der Bettwäsche." Wenn die Wissenschaftler ein Stück Schutzkleidung auf die Stahlplatte legen, können sie herausfinden, wie gut das Textil den Wasserdampf durchlässt. Außerdem haben die Forscher noch "Charlie". Das ist eine lebensgroße Puppe aus Kupfer, an der sich die Temperatur der einzelnen Körperregionen einstellen lässt. Wenn sie Charlie mit einem Schutzanzug bekleiden, können sie sehen, ob die Garnitur einen Hitzestau hervorruft oder nicht. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse ziehen, wo sich der Schweiß sammeln wird.
"Natürlich lassen wir den Komfort von Schutzkleidung auch von echten Menschen beurteilen", sagt Bartels. Allerdings seien solche Versuche sehr aufwändig. Denn Menschen unterscheiden sich in ihrem Empfindungen sehr stark, sowohl untereinander als auch von Tag zu Tag. "Bis wir einigermaßen aussagekräftige Messergebnisse bekommen," so Bartels, "müssen wir viele Anproben mit vielen Teilnehmern durchführen – das dauert und kostet."
Die Bönnigheimer Forscher hören immer wieder Klagen über unbequeme Schutzanzüge – vor allem aus der Industrie und im Sommer. Viele dieser Probleme, meint Bartels, seien vermeidbar.
"Im Lauf einer Nacht sondert jeder von uns etwa ein Viertelliter Wasser über die Körperoberfläche ab"
(Volkmar Bartels)
Sie rührten daher, dass Arbeitgeber billige Schutzanzüge geringer Qualität – oft Importware – kauften, um ihre Betriebsausgaben niedrig zu halten. Den Schaden trügen die Arbeitnehmer, die die Anzüge benutzen müssen. "Leider", fasst Bartels zusammen, "sind viele Einkäufer der Meinung: je billiger, desto besser. Das ist schlecht." (Volkmar Bartels)
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