Ökologie: Gut verdaut ist halb gekeimt
Was macht die Natur, wenn ihr ein Baustein im System fehlt? Sie funktioniert einfach ein anderes Element um und weist ihm eine neue Rolle zu. Deshalb dürfen auch einmal gigantische Insekten den Posten niedlicher Nager besetzen.
Vor der Entdeckung durch die Menschen beheimatete Neuseeland ein Bestiarium ganz besonders außergewöhnlicher Geschöpfe: Dort machte der Haast-Adler, der größte Greif der Neuzeit, Jagd auf nicht minder eindrucksvolle Moas -straußenähnliche Laufvögel, deren imposanteste Art mehr als dreieinhalb Meter Höhe erreichen konnten. In den Feuchtwäldern lebten die großen Kakapos, auch Eulenpapageien genannt, die vornehmlich nachts zu Fuß unterwegs waren und in regelrechten Arenen um die Weibchen buhlten. In den Wipfeln der Bäume hausten dagegen die Huias; eine weitere Vogelart, bei denen beide Geschlechter komplett unterschiedliche Schnäbel besaßen, die sie kooperativ zur Nahrungssuche einsetzten.
Ein Beispiel der ungewöhnlichen Lösungsstrategien von Mutter Natur für dieses vermeintliche ökosystematische Problem sind deshalb die großen Wetas der beiden Eilande. Diese Insekten gehören zur Familie der Langfühlerschrecken und zählen zu den größten Kerbtieren der Erde. Manche Exemplare erreichen eine reine Körperlänge von bis zu neun Zentimetern, die sich bei Einbezug von Beinen und Fühlern auf zwanzig Zentimeter steigern kann.
Doch nicht nur ihre Dimensionen prädestinieren sie für die Aufgaben, die andernorts von Mäusen absolviert werden. Denn sie fressen wie diese häufig Früchte und scheiden deren Samen andernorts wieder unverdaut aus – eine Fähigkeit, die ansonsten aus dem Insektenreich nicht geläufig ist. Bei Mäusen dient dies sowohl Tier als auch Pflanze, sofern deren Fruchtkerne nach der Darmpartie erfolgreich keimen: Die Nager helfen ihnen dann also bei der Verbreitung. Trifft aber diese als Mutualismus bezeichnete Beziehung auf Gegenseitigkeit auch zwischen den Wetas und den pflanzlichen Kostlieferanten auf?
Das entzog sich bislang der Kenntnis der Biologenzunft und war Grund genug für Catherine Duthie von der Universität von Wellington und ihre Kollegen sich diesen Aspekt einmal näher anzusehen. In einer Reihe von Versuchen und Beobachtungen im Freiland wollten sie entschlüsseln, ob denn die bizarren Insekten als wirkungsvolle Samenverteiler in Frage kommen und damit ihrem Ernährer einen guten Dienst erweisen. Sie setzten deshalb die Früchte von 19 verschiedenen einheimischen Pflanzenarten ihren Wellington-Baumwetas (Hemidenina crassidens) vor und beobachteten, was damit passierte.
Deshalb verglichen die Forscher in einem nächsten Schritt die Keimungsfähigkeit der von den Wetas ausgeschiedenen Fortpflanzungsprodukte der Pflanzen mit jenen, die sie per Hand aus dem umgebenden Fruchtfleisch gepult hatten. Und siehe da: Jene, die durch die inneren Organe der Schrecken mussten, keimten früher und in größerer Stückzahl als ihre potenziellen Artgenossen. Dies gilt natürlich auch für das Freiland, wie die Biologen dann in einer Nachforschung in einem Bestand der Baumwetas ermittelten. Mehr als sechzig Prozent der dort eingesammelten 100 Kotproben wiesen Samen auf, von denen 49 Exemplare intakt geborgen werden konnten und im Labor keimten.
Eine nähere Betrachtung der offensichtlich angepassten Früchte zeigte dann, dass sich die von den Monsterkerfen weiter getragenen Arten auch äußerlich von den komplett oder teilweise zersetzten Spezies unterschieden. Sie boten mehr nahrhaftes Fruchtfleisch, hatten einen geringeren Wassergehalt und kleinere Samenkörper als jene der Konkurrenz. So gesehen hatten sowohl die Wetas als auch die Pflanzen etwas von dieser Beziehung – ein klassischer Fall von Mutualismus.
Mit dieser Strategie fuhren die Mega-Insekten so lange gut, bis das mächtigste Säugetier von allen – der Mensch – Neuseeland erreichte und seine nicht minder erfolgreichen tierischen Kompagnons mit sich brachte: Ratten und Mäuse richteten sich bald in derselben Nische ein und machten den Wetas das Futter streitig oder fraßen sie zusätzlich gleich noch selbst. Viele der urtümlichen Spezies sind daher vom Aussterben bedroht. Sollten sie in naher Zukunft völlig ableben, reißen sie die womöglich abhängigen Pflanzenarten vielleicht gleich noch mit sich – denn der Mäusedarm verdaut diese komplett.
Was dagegen fast völlig fehlte, waren Säugetiere: Außer Robben an der Küste tummelten sich nur drei kleine Fledermausarten im Inneren dieser kleinen Welt für sich. An Säugers statt mussten anderen Tiergruppen deren Funktionen im Ökosystem übernehmen. So besetzten die Moas die Rolle von großen Weidetieren und die Haast-Adler jene von Wölfen oder Löwen. Und was sich im Großen bewährte, galt natürlich ebenso im Kleinen, denn die Nischen von Nagetieren und anderen Kleinsäugern blieben ebenfalls nicht unbesetzt.
Ein Beispiel der ungewöhnlichen Lösungsstrategien von Mutter Natur für dieses vermeintliche ökosystematische Problem sind deshalb die großen Wetas der beiden Eilande. Diese Insekten gehören zur Familie der Langfühlerschrecken und zählen zu den größten Kerbtieren der Erde. Manche Exemplare erreichen eine reine Körperlänge von bis zu neun Zentimetern, die sich bei Einbezug von Beinen und Fühlern auf zwanzig Zentimeter steigern kann.
Doch nicht nur ihre Dimensionen prädestinieren sie für die Aufgaben, die andernorts von Mäusen absolviert werden. Denn sie fressen wie diese häufig Früchte und scheiden deren Samen andernorts wieder unverdaut aus – eine Fähigkeit, die ansonsten aus dem Insektenreich nicht geläufig ist. Bei Mäusen dient dies sowohl Tier als auch Pflanze, sofern deren Fruchtkerne nach der Darmpartie erfolgreich keimen: Die Nager helfen ihnen dann also bei der Verbreitung. Trifft aber diese als Mutualismus bezeichnete Beziehung auf Gegenseitigkeit auch zwischen den Wetas und den pflanzlichen Kostlieferanten auf?
Das entzog sich bislang der Kenntnis der Biologenzunft und war Grund genug für Catherine Duthie von der Universität von Wellington und ihre Kollegen sich diesen Aspekt einmal näher anzusehen. In einer Reihe von Versuchen und Beobachtungen im Freiland wollten sie entschlüsseln, ob denn die bizarren Insekten als wirkungsvolle Samenverteiler in Frage kommen und damit ihrem Ernährer einen guten Dienst erweisen. Sie setzten deshalb die Früchte von 19 verschiedenen einheimischen Pflanzenarten ihren Wellington-Baumwetas (Hemidenina crassidens) vor und beobachteten, was damit passierte.
Die Tiere verschmähten keine der Früchte, dem Saatgut von 14 daraus setzte die Darmpassage jedoch gehörig zu: Sie wurden zu unterschiedlichen Graden verdaut und damit zerstört. Natürlich ist dies nichts Ungewöhnliches und gilt ebenso für Nagetiere und andere Fruchtfresser. Die Samen von fünf der Spezies – darunter zwei Fuchsien – verkrafteten allerdings ihre Reise durch den Verdauungsapparat anstandslos.
Deshalb verglichen die Forscher in einem nächsten Schritt die Keimungsfähigkeit der von den Wetas ausgeschiedenen Fortpflanzungsprodukte der Pflanzen mit jenen, die sie per Hand aus dem umgebenden Fruchtfleisch gepult hatten. Und siehe da: Jene, die durch die inneren Organe der Schrecken mussten, keimten früher und in größerer Stückzahl als ihre potenziellen Artgenossen. Dies gilt natürlich auch für das Freiland, wie die Biologen dann in einer Nachforschung in einem Bestand der Baumwetas ermittelten. Mehr als sechzig Prozent der dort eingesammelten 100 Kotproben wiesen Samen auf, von denen 49 Exemplare intakt geborgen werden konnten und im Labor keimten.
Eine nähere Betrachtung der offensichtlich angepassten Früchte zeigte dann, dass sich die von den Monsterkerfen weiter getragenen Arten auch äußerlich von den komplett oder teilweise zersetzten Spezies unterschieden. Sie boten mehr nahrhaftes Fruchtfleisch, hatten einen geringeren Wassergehalt und kleinere Samenkörper als jene der Konkurrenz. So gesehen hatten sowohl die Wetas als auch die Pflanzen etwas von dieser Beziehung – ein klassischer Fall von Mutualismus.
Mit dieser Strategie fuhren die Mega-Insekten so lange gut, bis das mächtigste Säugetier von allen – der Mensch – Neuseeland erreichte und seine nicht minder erfolgreichen tierischen Kompagnons mit sich brachte: Ratten und Mäuse richteten sich bald in derselben Nische ein und machten den Wetas das Futter streitig oder fraßen sie zusätzlich gleich noch selbst. Viele der urtümlichen Spezies sind daher vom Aussterben bedroht. Sollten sie in naher Zukunft völlig ableben, reißen sie die womöglich abhängigen Pflanzenarten vielleicht gleich noch mit sich – denn der Mäusedarm verdaut diese komplett.
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