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Erdtrabant: Guter Mond, du schmilzt so stille

Der Mond ist zwar ein vertrauter Anblick am Himmel, doch die Frage nach seiner Herkunft und seiner Entwicklung ist alles andere als trivial. Während der Apollo-Missionen vor 40 Jahren stellten die Astronauten zahlreiche Beweise sicher, doch den genauen Hergang können Forscher immer noch nicht lückenlos nachvollziehen. Die Sonde "Kaguya" lieferte jetzt ein weiteres Puzzlestück.
Schon mit bloßem Auge lassen sich helle und dunkle Regionen auf dem Erdtrabanten unterscheiden. Letztere wurden jahrtausendelang für Ozeane gehalten, und auch heute noch tragen sie die Bezeichnung Maria, lateinisch für Meere. Im Gegensatz dazu wurden die helleren Regionen für Kontinente oder Hochländer gehalten und Terrae getauft. Doch worum handelt es sich wirklich? Und woher stammt der Mond überhaupt? Durch Vergleiche der vom Mond auf die Erde geschleuderten Meteoriten und den vor Ort genommenen Proben stellte sich eine starke Ähnlichkeit mit dem Gestein unseres Heimatplaneten heraus. Somit ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Trabant irgendwann von der Erde eingefangen und auf seine Bahn gezwungen wurde.

Helle Hochländer | Die US-Sonde "Clementine" hat im Frühjahr 1994 den Mond kartiert. Auf dessen erdzugewandter Seite (Mitte) wurden die tiefen Becken im Lauf der Zeit mit dunkler, basaltiger Lava gefüllt. Die helleren Hochländer stellen damit die ursprüngliche Kruste des Erdtrabanten dar.
Vielmehr gehen die Wissenschaftler heute von folgendem Szenario aus: Ein etwa marsgroßer Planetoid – Theia genannt – kollidierte einst streifend mit der noch jungen Erde und schleuderte beim Aufprall eine beträchtliche Ladung der irdischen Kruste davon. Ein Großteil davon umhüllte schließlich Theias Kern und formte das, was wir heute als Mond bewundern können. Durch die enorme Aufschlagsenergie war das Material wohl anfangs so stark erhitzt, dass es einen globalen Ozean aus Magma bildete, der wahrscheinlich über 500 Kilometer tief war.

Mit den Jahrmillionen kühlte das Magma ab und begann, abhängig von den lokal vorherrschenden Mineralienarten, nach und nach auszukristallisieren. An der Mondoberfläche bildeten sich so "Vulkanite" wie etwa der besonders dunkle Basalt der Maria, in den Tiefen dagegen – bei entsprechend höheren Drucken – "Plutonite" wie Granit oder Kalknatronfeldspate, auch als Plagioklase bezeichnet. Letztere haben jedoch ein geringes spezifisches Gewicht und stiegen daher wegen des Auftriebs allmählich zur Oberfläche empor. Sie bilden seitdem den überwiegenden Teil der Hochländer-Mondkruste. Wie dieser Transportprozess genau ablief, lässt sich bislang allerdings nicht mit ausreichender Sicherheit rekonstruieren.

Apollo-Landeplätze | Auf dieser Fotografie sind einige der Krater markiert, die die japanische Sonde "Kaguya" auf ihren Gehalt an Feldspat untersucht hat. Dazu gehört auch der "South Ray Crater" am Landeplatz von Apollo 16.
Wissenschaftler der japanischen Raumfahrtagentur JAXA haben mit ihrer Sonde "Kaguya", die sie nach knapp 18 Monaten der Datenaufnahme im Juni dieses Jahres gezielt zum Absturz brachten, die Gesteinszusammensetzung der Mondoberfläche mit hoher Präzision kartografiert. Da die Kruste von einer mehrere Meter hohen Schicht aus Mondstaub umgeben ist – in der Fachsprache Regolith –, die im Lauf der Jahrmilliarden durch UV-Licht von der Sonne und durch Teilchen der Kosmischen Strahlung alterte, wählten die Planetologen 69 spezielle Gebiete für ihre Studie aus, um sie zu untersuchen. Davon sind 32 Stellen Zentralberge von Kratern oder deren Wände, die durch Asteroideneinschläge aus einige Kilometer tiefen Lagen aufgeworfen wurden. Sie weisen dadurch kaum oder überhaupt kein Regolith auf und stellen somit repräsentative Proben der Mondkruste dar. Bekannte Formationen sind der auffällige, helle Krater Tycho auf der Südhalbkugel oder der South Ray Crater nahe der Landestelle von Apollo 16. Die Resultate waren überraschend, zeigen sie doch nicht den erwarteten Plagioklase-Anteil von rund 90 Prozent, sondern quasi 100 Prozent. Die Forscher werten dieses Ergebnis als Stütze der Annahme, dass tatsächlich ein Magma-Ozean auf dem jungen Erdtrabanten existierte, in dem die Feldspate nach oben stiegen. Darüber hinaus lassen sich mit den erhobenen Daten die Modelle, aus welchem Ursprungszustand und auf Grund welcher Prozesse sich ein solches Meer aus flüssigem Gestein – und somit das Antlitz des Monds – über die Jahrmillionen entwickelt haben muss, in der nächsten Zeit entscheidend verfeinern.
  • Quellen
Ohtake, Makiko et al.: The global distribution of pure anorthosite on the Moon. In: Nature 461, 10.1038/nature08317, 2009.

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