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Planetenentstehung: GW Orionis, Sternsystem auf der Kippe

Das junge Dreifachsternsystem GW Orionis zerreißt wohl gerade die Scheibe aus Gas und Staub, von der es umgeben ist. Könnten dort eines Tages Planeten mit besonderen Umlaufbahnen entstehen?
Das junge Dreifachsternsystem GW Orionis zerreißt wohl gerade die Scheibe aus Gas und Staub, von der es umgeben ist.

Was ihre Entstehungsgeschichte angeht, ist unsere Sonne fast ein wenig langweilig. Soweit bekannt, hat sie sich vor rund 4,6 Milliarden Jahren aus einer Scheibe aus Gas und Staub zusammengeballt. Was außen übrig blieb, wurde zu Planeten und anderen Kleinigkeiten. Weil dieser Prozess in einer einzigen Ebene und in einer einzigen Scheibe ablief, befinden sich die Planeten und die meisten Kleinigkeiten dort heute noch. Und es ist der Grund, warum die Planeten und die Sonne entlang der Ekliptik wandern.

Dass das mit der Entstehung auch ganz anders gehen könnte, hat ein internationales Forscherteam um Stefan Kraus von der britischen University of Exeter nun im Fachmagazin »Science« veröffentlicht. In der Studie beschreiben sie das junge Dreifachsternsystem GW Orionis und seine Scheibe – um genauer zu sein, seine Scheiben, denn GW Orionis hat wohl seine zirkumstellare Scheibe auseinandergerissen. »Disk-Tearing« nennt sich dieser Prozess. Kraus und seine Kollegen werten ihre Beobachtungen als den ersten Nachweis überhaupt, dass dieses »Scheibenzerreißen« tatsächlich im All stattfindet.

»Wir haben vor zwölf Jahren angefangen, GW Orionis zu beobachten«, erzählt Kraus. »Wir wollten die Umlaufbahnen der Sterne vermessen. Die sind nämlich genau richtig, damit man das innerhalb eines Menschenlebens schafft.« GW Orionis befindet sich, wie der Name schon sagt, im Sternbild Orion, genauer gesagt, in der Sternentstehungsregion der Orionwolke, in rund 1300 Lichtjahren Entfernung von der Erde. Es hat drei Sterne, von denen sich zwei relativ eng umkreisen, sowie einen dritten Stern, der für einen Umlauf um die beiden anderen Sterne rund elf Jahre braucht. Es ist ein junges System, gerade einmal rund eine Million Jahre alt.

Eine gekippter Ring sorgt für Aufregung

Kraus und seine Kollegen nutzen für ihre Beobachtungen sowohl das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA sowie das Very Large Telescope VLT der Europäischen Südsternwarte ESO. So konnten sie nicht nur die Umlaufbahnen genau erfassen, sondern auch die Scheibe beobachten, die dieses System umgibt. Dabei fiel ihnen auf, dass diese eben nicht flach ist, sondern aus mehreren Ringen zu bestehen scheint: Da wären einmal die Ringe R1 und R2, die sich ziemlich weit ins All ausdehnen und zusammen in einer Ebene liegen, sowie der innere Ring R3. R3 ist schief. Er scheint zur restlichen Scheiben verkippt zu sein, da er sich von ihr losgelöst hat. »R3 präzediert um die Zentralgestirne wie ein Kreisel«, sagt Kraus, »seine Rotationsachse bewegt sich langsam im Raum, über Jahrtausende hinweg.«

Zirkumstellarer Verriss | Momentaufnahme aus der Computersimulation, die zeigt, wie die drei Sterne auf versetzten Bahnen die Scheibe um GW Orionis geformt haben.

Die Studie sei wirklich spannend, sagt Christopher Nixon von der University of Leicester: »Sie liefert nämlich überzeugende Hinweise darauf, dass das Disk-Tearing tatsächlich in echten Scheiben im Universum stattfindet.« Wenig verwunderlich, dass der Astrophysiker sich freut. Er hat diesen Effekt vor einigen Jahren erstmals theoretisch beschrieben. Tatsächlich dachte Nixon damals allerdings eher an Schwarze Löcher, die ihre Scheiben auseinanderreißen. Der Effekt kann nämlich bei Objekten aller Art auftreten, die nicht kugelrund sind wie eben bei einem rotierenden Schwarzen Loch oder einem Mehrfachsternsystem wie GW Orionis. Dann muss nur noch der Kippwinkel der Scheibe gegenüber den zentralen Objekten stimmen, die Scheibe muss dünn genug sein, so dass sie auseinandergerissen werden kann – und voilà.

»Nie zuvor ist der Effekt so klar beobachtet worden wie bei diesem Dreifachsternsystem«
Christopher Nixon, Astrophysiker

»Es gibt zum Beispiel auch Hinweise von einigen aktiven galaktischen Kernen mit Schwarzen Löchern im Zentrum darauf, dass diese ihre Scheiben zerrissen haben«, erzählt Nixon. »Aber noch nie zuvor ist der Effekt so klar beobachtet worden wie jetzt bei diesem Dreifachsternsystem.«

Diverse Teams beobachten GW Orionis

Aber zurück zur Entstehung: Könnten in einem derart außergewöhnlichen System überhaupt Planeten entstehen? Für den verkippten Ring R3 schätzen Kraus und Kollegen, dass er rund 30 Erdmassen an Material enthält, prinzipiell genug für einen Planeten. »Das ist der einzige Mechanismus, dass überhaupt Planeten auf derart schrägen und weit entfernten Umlaufbahnen entstehen können«, sagt Kraus. Schließlich ist auch R3 über 40 Astronomische Einheiten von seinen Sternen entfernt. Das ist weiter weg als Neptun, der am weitesten von der Sonne entfernte Planet im Sonnensystem.

»Im Prinzip ist das schon möglich«, sagt auch Wilhelm Kley von der Universität Tübingen. Tatsächlich hatte ein unabhängiges Forscherteam GW Orionis und seine verkippten Scheiben ebenfalls untersucht und im Mai einen entsprechenden Fachartikel veröffentlicht. Auch dieses Team beobachtete drei Ringe um GW Orionis. Allerdings spekulieren die Forscher, dass ein bereits vorhandener Planet dafür gesorgt hat, dass die Scheibe überhaupt auseinandergerissen werden konnte. Und Wilhelm Kley, der an keiner der beiden Teams beteiligt war, sagt: »GW Orionis ist ein absolut interessantes System für Beobachtungen. Aber ob das alles wirklich so ist, ist nicht 100-prozentig sicher.«

Derzeit sei es technisch nicht machbar, Planeten auf derart weit entfernten Umlaufbahnen zu beobachten, sagt Stefan Kraus. »Leider.« Um diese Frage zu klären, sind die Teleskope der nächsten Generation vonnöten. Das Extremely Large Telescope ELT der ESO befindet sich beispielsweise derzeit im Bau, 2025 soll es in Betrieb gehen. Und damit lässt sich dann auf die Jagd nach jungen, verkippten Planeten gehen – sollte es sie denn geben.

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