H5N1: Tödliche Vogelgrippe erreicht Antarktis
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der hochpathogene Stamm des Vogelgrippevirus H5N1 auch die Antarktis erreicht. Nachdem der Erreger 2022 in Europa und Nordamerika gewütet hat, breitete er sich nach Südafrika und Südamerika aus, von wo er schließlich über wandernde Seevögel den Sprung in die Antarktis geschafft hat. Wissenschaftler des British Antarctic Survey wiesen das Pathogen in Braunen Skuas (Catharacta antarctica), einer Möwenart, auf Bird Island nach. Zuvor hatten Beobachtungsteams von dort Hinweise auf erkrankte Vögel und erhöhte Todesraten gemeldet.
Bird Island ist wie die benachbarte Insel South Georgia Teil eines britischen Überseeterritoriums und dient riesigen Seevogelkolonien als Brutplatz. Als Folge der Nachweise haben die Teams der örtlichen Forschungsstation die meisten ihrer Arbeiten eingestellt, bei denen sie die Tiere anfassen müssen, etwa bei Beringungen oder Gewichtsmessungen von Jungvögeln. Zudem erhöhten die Forscher vor Ort Sicherheitsmaßnahmen wie das Desinfizieren von Gegenständen oder Kleidung.
Seit dem Ausbruch der hochpathogenen H5N1-Vogelgrippe starben Millionen Seevögel, aber auch Seelöwen im Nordatlantik, Pazifik und in Südafrika: Die dicht besiedelten Brutplätze bieten dem Virus optimale Ausbreitungsmöglichkeiten. Wahrscheinlich über tote Seevögel gelangte der Erreger in Robben, die in der Folge ebenfalls daran starben. Nicht ausgeschlossen werden kann, ob nicht schon einzelne Infektionsketten in den Säugetieren aufgetreten sind. Allein in Chile und Peru verendeten 2023 innerhalb weniger Monate mindestens eine halbe Million Seevögel und 20 000 Seelöwen an der Seuche. Sie benötigte weniger als drei Monate um sich über 6000 Kilometer entlang der Pazifikküste bis nach Tierra del Fuego an der Südspitze Südamerikas auszubreiten.
Wegen der großen Anzahl an Seevögeln rund um die Antarktis befürchten Biologen ein Massensterben, das seltene Arten sogar im kompletten Bestand bedrohen könnte. Darunter fallen beispielsweise verschiedene Albatrossspezies, deren Gesamtzahl wenige Dutzend, 100 oder 1000 Individuen beträgt. An den europäischen Küsten wurde versucht, die Ausbrüche einzudämmen, indem tote Tiere eingesammelt wurden. Auf den abgelegenen Inseln des Südpolarmeers ohne Infrastruktur ist dies nicht möglich, zumal viele Tiere auf See sterben.
Neben See- und Wasservögeln wie Enten sind Aasfresser besonders betroffen. An H5N1 starben deshalb schon zahlreiche Greif- und Rabenvögel. Um den vom Aussterben bedrohten Kalifornischen Kondor zu schützen, impften Veterinäre die Vögel gegen Vogelgrippe. Für die Millionen an Seevögeln ist dies allerdings keine machbare Option.
Genanalysen zeigten, dass sich die neue hochpathogene Variante von H5N1 in Europa entwickelte. Das ursprüngliche Reservoir des Virus befindet sich hingegen in Ostasien, wo es regelmäßig zu Ausbrüchen in Geflügelzuchtbetrieben und unter wild lebenden Wasservögeln kommt. Über Zugvögel und Geflügeltransporte breitete sich der Erreger dann weiter aus.
Obwohl es sich in erster Linie um ein Virus handelt, das von Vögeln weitergetragen wird, bereitet es Gesundheitsexperten Sorgen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat festgestellt, dass die Zahl der Fälle beim Menschen zwar äußerst selten ist, die zunehmende Zahl von Nachweisen unter Säugetieren erhöht jedoch das Risiko, dass sich das Virus anpassen und Menschen leichter infizieren könnte.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.