Paläoanthropologie: Haarmoden der Eiszeit
Auch noch 150 Jahre nach seiner Entdeckung bietet der Mann aus dem Neandertal immer wieder Neues. Sein Erbgut wird jetzt Stück für Stück entziffert und enthüllt dabei überraschende Erkenntnisse - wie etwa über die damalige Haartracht.
Als der Lehrer und Fossilien-Liebhaber Johann Carl Fuhlrott 1859 über "Menschliche Ueberreste aus einer Felsengrotte des Duesselthals" in den Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preussischen Rheinlande und Westphalens berichtete, ahnte er wohl kaum, welche Bedeutung die drei Jahre zuvor in dem beschaulichen Neandertal bei Düsseldorf entdeckten Knochen haben werden: Noch vor der Veröffentlichung der Evolutionstheorie von Charles Darwin zeigten sie erstmals, dass auch der Mensch keine unveränderliche Art darstellt. Heute gilt Homo neanderthalensis als eigenständige menschliche Spezies, die zwar eng mit unserer Art, dem Homo sapiens, verwandt ist, aber nicht zu unseren unmittelbaren Ahnen zählt.
Zahlreiche Fossilfunde haben in den letzten 150 Jahren immer mehr Geheimnisse von unserem Vetter aus der Eiszeit – der vor etwa 400 000 Jahren die europäische Bühne betrat und schließlich vor 28 000 Jahren das Feld räumen musste - offenbart. Inzwischen tasten sich Genetiker auch an sein Erbgut heran – in wenigen Jahren soll das komplette Genom des Neandertalers vorliegen. Bis es soweit ist, enthüllen die Forscher stückchenweise ihre Erkenntnisse aus den bis jetzt entzifferten Neandertaler-Erbgutschnipseln. So präsentierten sie erst letzte Woche eine menschliche Variante des für die Sprache wichtigen Gens FOXP2 bei unserem ausgestorbenen Verwandten.
Nun ist die Isolierung von Neandertaler-DNA kein Kinderspiel. Einerseits muss noch genügend Erbgut, das über die Polymerasekettenreaktion vervielfältigt werden kann, vorhanden sein. Andererseits darf der fossile Überrest noch nicht durch zu viele Hände gegangen sein. Schließlich schnappt sich das Arbeitsenzym der Biochemiker jeglichen DNA-Schnipsel – und damit auch Verunreinigungen von zu neugierigen Wissenschaftlern.
Deswegen konzentrierten sich die Forscher bei der Analyse des mc1r-Gens auf Bereiche, die bei heutigen Menschen nicht vorkommen, – und wurden fündig: Sie entdeckten DNA-Spuren, bei denen auf Position 919 die Base Adenin durch Guanin ersetzt ist. Für das entsprechende Protein bedeutet das einen Austausch der Aminosäure 307 von Arginin zu Glycin. Dieser Wechsel kommt bei mehr als 2800 heutiger Menschen, bei denen das Gen mc1r entziffert ist, nicht vor. Es muss sich demnach tatsächlich um eine Variante des Neandertalers handeln.
"Genvarianten mit einer ähnlich verringerten Aktivität sind auch beim modernen Menschen bekannt - allerdings auf Grund anderer Mutationen", erläutert Michael Hofreiter. "Diese führen beim Menschen zu roter Haarfarbe. Wir können deshalb annehmen, dass auch ein Teil der Neandertaler möglicherweise rote oder hellere Haare und eventuell auch hellere Haut hatten."
Wie hoch dieser Anteil war, darüber lässt sich nur spekulieren. Zumindest die beiden Individuen aus Italien und Spanien konnten sich wohl einer roten Haarpracht erfreuen.
Damit könnten sich die alten Bewohner Europas auch äußerlich von den Neuankömmlingen unterschieden haben, die vor etwa 40 000 Jahren nach und nach den Kontinent eroberten. Ihre Vorfahren stammten aus Afrika und waren damit vermutlich schwarzhaarig und dunkelhäutig. Die Rotschöpfe mussten schließlich weichen – übrig blieb der dunkle Homo sapiens.
Zahlreiche Fossilfunde haben in den letzten 150 Jahren immer mehr Geheimnisse von unserem Vetter aus der Eiszeit – der vor etwa 400 000 Jahren die europäische Bühne betrat und schließlich vor 28 000 Jahren das Feld räumen musste - offenbart. Inzwischen tasten sich Genetiker auch an sein Erbgut heran – in wenigen Jahren soll das komplette Genom des Neandertalers vorliegen. Bis es soweit ist, enthüllen die Forscher stückchenweise ihre Erkenntnisse aus den bis jetzt entzifferten Neandertaler-Erbgutschnipseln. So präsentierten sie erst letzte Woche eine menschliche Variante des für die Sprache wichtigen Gens FOXP2 bei unserem ausgestorbenen Verwandten.
Doch wie sah der Mann – und die Frau – aus dem Neandertal aus? Da versteinerte Knochen über Äußerlichkeiten wie Haut- oder Haarfarbe nicht unmittelbar Auskunft geben können, soll auch hier die Genetik weiterhelfen. Forscher um Carles Lalueza-Fox von der Universität Barcelona und Michael Hofreiter vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie konzentrierten sich hierbei auf ein bestimmtes Gen: mc1r kodiert für den Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R), der wiederum die Produktion des Hautpigments Melanin steuert. Lieferanten für das Gen waren zwei Neandertaler-Fossilien – allerdings nicht aus dem Tal bei Düsseldorf, sondern von den Monti Lessini in Italien sowie der spanischen Höhle El Sidrón.
Nun ist die Isolierung von Neandertaler-DNA kein Kinderspiel. Einerseits muss noch genügend Erbgut, das über die Polymerasekettenreaktion vervielfältigt werden kann, vorhanden sein. Andererseits darf der fossile Überrest noch nicht durch zu viele Hände gegangen sein. Schließlich schnappt sich das Arbeitsenzym der Biochemiker jeglichen DNA-Schnipsel – und damit auch Verunreinigungen von zu neugierigen Wissenschaftlern.
Deswegen konzentrierten sich die Forscher bei der Analyse des mc1r-Gens auf Bereiche, die bei heutigen Menschen nicht vorkommen, – und wurden fündig: Sie entdeckten DNA-Spuren, bei denen auf Position 919 die Base Adenin durch Guanin ersetzt ist. Für das entsprechende Protein bedeutet das einen Austausch der Aminosäure 307 von Arginin zu Glycin. Dieser Wechsel kommt bei mehr als 2800 heutiger Menschen, bei denen das Gen mc1r entziffert ist, nicht vor. Es muss sich demnach tatsächlich um eine Variante des Neandertalers handeln.
Was bewirkt nun diese Spielart des MC-1-Rezeptors? Um dies herauszufinden, bauten die Forscher das veränderte Protein in Zellen ein und maßen seine Aktivität in der Petrischale. Wie sich zeigte, produzierte das Neandertaler-Protein im Vergleich zur Version des heutigen Menschen nur vierzig Prozent des Botenstoffs cAMP, der wiederum die Melanin-Produktion ankurbelt.
"Genvarianten mit einer ähnlich verringerten Aktivität sind auch beim modernen Menschen bekannt - allerdings auf Grund anderer Mutationen", erläutert Michael Hofreiter. "Diese führen beim Menschen zu roter Haarfarbe. Wir können deshalb annehmen, dass auch ein Teil der Neandertaler möglicherweise rote oder hellere Haare und eventuell auch hellere Haut hatten."
Wie hoch dieser Anteil war, darüber lässt sich nur spekulieren. Zumindest die beiden Individuen aus Italien und Spanien konnten sich wohl einer roten Haarpracht erfreuen.
"Ein Teil der Neandertaler hatte möglicherweise rote Haare und hellere Haut"
(Michael Hofreiter)
Die Genetiker schätzen, dass mindestens ein Prozent der europäischen Neandertaler hellhäutig waren. Dies dürfte im rauen Eiszeitklima Europas, wo die Sonne eher selten schien, durchaus vorteilhaft gewesen sein. Denn eine pigmentarme Haut lässt zwar gefährliche UV-Strahlung passieren, sie fördert aber auch die lichtabhängige Produktion von Vitamin D.(Michael Hofreiter)
Damit könnten sich die alten Bewohner Europas auch äußerlich von den Neuankömmlingen unterschieden haben, die vor etwa 40 000 Jahren nach und nach den Kontinent eroberten. Ihre Vorfahren stammten aus Afrika und waren damit vermutlich schwarzhaarig und dunkelhäutig. Die Rotschöpfe mussten schließlich weichen – übrig blieb der dunkle Homo sapiens.
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