News: Haarnadeln gegen Krebs
RNAi-Moleküle entstehen, wenn doppelsträngige RNA einem bestimmten Enzym begegnen, das Greg Hanno und Emily Bernstein vom Cold Spring Harbor Laboratory entdeckten und auf den Namen Dicer tauften. Dieser "Würfelspieler" macht kurzen Prozess mit der RNA und hackt die doppelsträngige Struktur in kleine Stückchen. Darauf sammelt ein Proteinkomplex die RNA-Splitter ein und nutzt ihren Code aus aneinandergereihten Basen als Blaupause, um sich in der Zelle auf die Suche nach passenden Sequenzen zu begeben. Trifft das Enzym auf eine Bauanleitung für Proteine – eine Boten-RNA –, auf der die winzigen RNAi-Teilchen passen, dann vernichten sie diese.
Allerdings mussten die Forscher erst lernen, dass zu lange Fäden doppelsträngiger RNA die Zellen eher in den Selbstmord treiben, als in RNAi zu zersplittern. Das Problem gelöst hat Thomas Tushl vom Max Planck Institut für biophysikalische Chemie mit kleinen doppelsträngigen RNA-Molekülen – verwandt mit denen, die das Würfelspieler-Enzym auch im natürlichen Zellprozess produziert. Tatsächlich arbeiten die Winzlinge seitdem in vielen Laboren erfolgreich.
Getrieben von ihrem Wunsch nach einer länger wirksamen Alternative zu den kleinen RNA-Molekülen, versuchten Hanno und sein Team jetzt mit speziell gefalteten RNA-Molekülen die gewünschte Genfunktion außer Gefecht zu setzen. Ihre Inspiration erhielten sie von Ronald Plasterk, der haarnadelförmig gebogenen RNA-Strukturen in Würmern als natürliche Genregulatoren identifiziert hatte. Hanno und Patrick Paddison konnten nun zeigen, dass die gebogenen RNA-Moleküle in menschlichen Zellen Gene genauso effektiv stilllegen wie RNAi-Stückchen. Der von den Forschern SHAGging genannte Prozess der Genstillegung durch Haarnadelstrukturen funktionierte in normalen Zelllinien genauso wie in Krebszellen – von Mäusen wie von Menschen.
Hanno begann, die RNA-Moleküle als Werkzeug zur Generkennung in der Krebsforschung einzusetzen. Indem er mit den kurzen haarnadelförmigen RNA-Strukturen gezielt die Expression tausender unterschiedlicher menschlicher Gene blockierte, konnte er diejenigen identifizieren, die für das Überleben der Krebszellen essenziell waren, aber beim Überleben normaler Zellen keine Rolle spielen. Solche Gene sind die Achillesferse der Krebszellen. Kennt man sie, kann man sie durch gezielte Therapien zerstören, normale Zellen aber unbehelligt lassen.
Ein erster Ansatz in dieser Richtung ist das Ausschalten so genannter Onkogene – krebsauslösender Gene im Genom –, um dadurch das Wachstum der Krebszellen unter Kontrolle zu haben. Andere Arbeitsgruppen wiederum arbeiten daran, mithilfe der kleinen Haarnadeln HI-Viren den Zelleintritt zu verwehren. Wie schnell die neuen Strukturen die Labortische verlassen und Einlass in die Klinik finden, muss sich allerdings erst noch erweisen.
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