Onkologie: Haarnadelsuche im Krebsheuhaufen
Schon lange kennen Krebsmedizinern einige entartete Gene, die mit besonders schwer wiegenden Krebsverläufen einhergehen. Mit modernen Methoden gelingt es nun auch mehr und mehr herauszufinden, welche Folgeschäden mit den lang bekannten Markern einhergehen - und warum sie so fatal wirken.
Die Folgen des zellulären Totalschadens "Krebs" sind allzu leicht zu erkennen – die eigentliche Ursache und ersten Schritte des fehlgeleiteten Entartens zu entdecken, gleicht dagegen der mühsamen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Bei der gerade in jungen Kindern häufig vorkommenden Krebsvariante des Neuroblastoms kann man das sogar wörtlich nehmen: Seit Langem war klar, dass ein besonders schwerer Krankheitsverlauf mit dem krankhaft erhöhten Vorkommen des "Haarnadel"-Regulatorproteins N-Myc einhergeht. Das Protein bindet im Zellkern an Hunderte anderer Genregulatorregionen mit typischer Haarnadelandockstelle – ein Prozess, der allerdings wohl dosiert ablaufen muss, damit das Zellgeschehen in geregelten Bahnen ablaufen kann. Krankhaft erhöhte Aktivität am Gen MYCN und deswegen drastisch erhöhte Mengen des N-Myc-Reglers lassen dagegen die durch den Körper wandernden Vorläuferzellen aus dem Ruder laufen, die eigentlich für die Neubildung von peripheren Nerven verantwortlich sind. Statt auszureifen und zum richtigen Zeitpunkt die Teilung einzustellen, wuchern die herumwandernden Neuroblasten in verschiedenen Körperbereichen immer weiter.
Nur warum genau? Schwerer zu erkennen als die N-Myc-Aktivität einer Zelle ist, welche von fast 200 durch das überproduzierte N-Myc angesprochenen Genen am Ende auch tatsächlich fatal überreagieren. Martin Eilers von der Universität Marburg und seine Kollegen haben dies in mühevoller molekularer Kleinarbeit genauer analysiert [1].
Ins Auge stach ihnen danach besonders eines der von N-Myc kontrollierten Gene: AURKA, in dem die Proteinkinase Aurora A kodiert ist. Das Enzym ist bereits für seine Rolle in verschiedenen Krebszelltypen berüchtigt – welche Rolle es spielt, war allerdings bislang eher rätselhaft. Offensichtlich fördert die Kinase die Neuroblastomentstehung schon durch ihr bloßes Vorhandensein, glauben Eilers und Co – aktiv muss das Enzym dazu nicht einmal werden, wie die Versuche belegen.
Tatsächlich bindet die Kinase stattdessen an das krankhaft vermehrte N-Myc und schützt es so offenbar vor dem nach einer gewissen Wirkungsdauer erwünschten Abbau durch die zelluläre Müllabfuhr. In Krebszellen bleibt N-Myc daher deutlich länger aktiv und konserviert die Zelle in ihrem entarteten, wachsenden und nicht differenzierten Zustand. Allein die Kinasefunktion zu hemmen, wie dies zunächst als Therapieansatz anvisiert worden war, dürfte demnach nicht viel versprechend sein.
Herauszufinden, welche Onkogene wie wirken, kann demnach manche Therapiehoffnungen schon im Ansatz dämpfen – was schlecht klingt, aber nützlich ist, um langwierige Holzwege gar nicht erst bahnen zu müssen, an deren Ende eine unwirksame Therapie stehen würde. Auf der anderen Seite entpuppt sich aber auch die rätselhafte Wirkungslosigkeit von hoffnungsvollen Therapieansätzen gelegentlich als sehr lehrreich, wie ein Team um Yibin Kang von der Princeton University zeigt [2].
Die Forscher hatten versucht zu ermitteln, warum chemotherapeutische Eingriffe, die bei manchen Patienten gut anschlagen, bei anderen kaum Erfolge zeigen. Dazu unterzogen sie eine große bei Brustkrebspatienten gesammelte Datenmenge einer Computeranalyse und erkannten zunächst, dass eine ganz bestimmte Chromosomenregion namens 8q22 sowohl über die Tendenz zur Metastasenbildung als auch über die Resistenz der Krebszellen gegenüber bestimmten Chemotherapeutika zu entscheiden scheint.
Eines der knapp ein Dutzend Gene auf 8q22 spielt dabei die Hauptrolle: MTDH. Das hier kodierte Protein Metadherin wird in mehr als 40 Prozent aller Brustkrebspatienten verstärkt gebildet und verschlechtert die medizinische Prognose der Betroffenen deutlich. Offenbar stärkt das Protein die Bindung von Brustkrebszellen an Blutgefäße in Organen wie etwa der Lunge – und erhöht damit die Metastasengefahr.
Zudem sind Zellen mit MTDH-Onkogen resistenter gegen Chemotherapeutika, wie die Forscher zeigen konnten: Nicht, weil die betroffenen Zellen die Wirkstoffe weniger schnell aufnehmen, sondern wohl deshalb, weil die Krebszellen mit den typischen MTDH-Genen generell etwas weniger anfällig gegenüber Stressreizen der Umgebung sind. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass diese Zellen schon im attackierten Primärtumor überlebensfähiger waren und mitsamt ihrer in dieser Situation überlegenen Ausstattung selektioniert wurden.
Unangreifbar, so die gute Nachricht zum Schluss, sind aber auch die bei Brustkrebs so gefährlichen MTDH-onkogenhaltigen Zellen vermutlich nicht, konnten Kang und Co zeigen: Mäuse, in denen das Gen ausgeschaltet wurde, überlebten länger und sprachen besser auf eine Chemotherapie an. Ein einzelner, gezielter Schlag gegen das Metastasen fördernde und dem Tumor Robustheit vermittelnde Gen könnte in Zukunft also zwei Übel des Brustkrebses gleichzeitig bekämpfen, hoffen die Forscher. Und hoffen dabei, dass weitere Forschung einmal nicht beweist, dass leider alles doch noch etwas komplizierter ist.
Bei der gerade in jungen Kindern häufig vorkommenden Krebsvariante des Neuroblastoms kann man das sogar wörtlich nehmen: Seit Langem war klar, dass ein besonders schwerer Krankheitsverlauf mit dem krankhaft erhöhten Vorkommen des "Haarnadel"-Regulatorproteins N-Myc einhergeht. Das Protein bindet im Zellkern an Hunderte anderer Genregulatorregionen mit typischer Haarnadelandockstelle – ein Prozess, der allerdings wohl dosiert ablaufen muss, damit das Zellgeschehen in geregelten Bahnen ablaufen kann. Krankhaft erhöhte Aktivität am Gen MYCN und deswegen drastisch erhöhte Mengen des N-Myc-Reglers lassen dagegen die durch den Körper wandernden Vorläuferzellen aus dem Ruder laufen, die eigentlich für die Neubildung von peripheren Nerven verantwortlich sind. Statt auszureifen und zum richtigen Zeitpunkt die Teilung einzustellen, wuchern die herumwandernden Neuroblasten in verschiedenen Körperbereichen immer weiter.
Nur warum genau? Schwerer zu erkennen als die N-Myc-Aktivität einer Zelle ist, welche von fast 200 durch das überproduzierte N-Myc angesprochenen Genen am Ende auch tatsächlich fatal überreagieren. Martin Eilers von der Universität Marburg und seine Kollegen haben dies in mühevoller molekularer Kleinarbeit genauer analysiert [1].
Ins Auge stach ihnen danach besonders eines der von N-Myc kontrollierten Gene: AURKA, in dem die Proteinkinase Aurora A kodiert ist. Das Enzym ist bereits für seine Rolle in verschiedenen Krebszelltypen berüchtigt – welche Rolle es spielt, war allerdings bislang eher rätselhaft. Offensichtlich fördert die Kinase die Neuroblastomentstehung schon durch ihr bloßes Vorhandensein, glauben Eilers und Co – aktiv muss das Enzym dazu nicht einmal werden, wie die Versuche belegen.
Tatsächlich bindet die Kinase stattdessen an das krankhaft vermehrte N-Myc und schützt es so offenbar vor dem nach einer gewissen Wirkungsdauer erwünschten Abbau durch die zelluläre Müllabfuhr. In Krebszellen bleibt N-Myc daher deutlich länger aktiv und konserviert die Zelle in ihrem entarteten, wachsenden und nicht differenzierten Zustand. Allein die Kinasefunktion zu hemmen, wie dies zunächst als Therapieansatz anvisiert worden war, dürfte demnach nicht viel versprechend sein.
Herauszufinden, welche Onkogene wie wirken, kann demnach manche Therapiehoffnungen schon im Ansatz dämpfen – was schlecht klingt, aber nützlich ist, um langwierige Holzwege gar nicht erst bahnen zu müssen, an deren Ende eine unwirksame Therapie stehen würde. Auf der anderen Seite entpuppt sich aber auch die rätselhafte Wirkungslosigkeit von hoffnungsvollen Therapieansätzen gelegentlich als sehr lehrreich, wie ein Team um Yibin Kang von der Princeton University zeigt [2].
Die Forscher hatten versucht zu ermitteln, warum chemotherapeutische Eingriffe, die bei manchen Patienten gut anschlagen, bei anderen kaum Erfolge zeigen. Dazu unterzogen sie eine große bei Brustkrebspatienten gesammelte Datenmenge einer Computeranalyse und erkannten zunächst, dass eine ganz bestimmte Chromosomenregion namens 8q22 sowohl über die Tendenz zur Metastasenbildung als auch über die Resistenz der Krebszellen gegenüber bestimmten Chemotherapeutika zu entscheiden scheint.
Eines der knapp ein Dutzend Gene auf 8q22 spielt dabei die Hauptrolle: MTDH. Das hier kodierte Protein Metadherin wird in mehr als 40 Prozent aller Brustkrebspatienten verstärkt gebildet und verschlechtert die medizinische Prognose der Betroffenen deutlich. Offenbar stärkt das Protein die Bindung von Brustkrebszellen an Blutgefäße in Organen wie etwa der Lunge – und erhöht damit die Metastasengefahr.
Zudem sind Zellen mit MTDH-Onkogen resistenter gegen Chemotherapeutika, wie die Forscher zeigen konnten: Nicht, weil die betroffenen Zellen die Wirkstoffe weniger schnell aufnehmen, sondern wohl deshalb, weil die Krebszellen mit den typischen MTDH-Genen generell etwas weniger anfällig gegenüber Stressreizen der Umgebung sind. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass diese Zellen schon im attackierten Primärtumor überlebensfähiger waren und mitsamt ihrer in dieser Situation überlegenen Ausstattung selektioniert wurden.
Unangreifbar, so die gute Nachricht zum Schluss, sind aber auch die bei Brustkrebs so gefährlichen MTDH-onkogenhaltigen Zellen vermutlich nicht, konnten Kang und Co zeigen: Mäuse, in denen das Gen ausgeschaltet wurde, überlebten länger und sprachen besser auf eine Chemotherapie an. Ein einzelner, gezielter Schlag gegen das Metastasen fördernde und dem Tumor Robustheit vermittelnde Gen könnte in Zukunft also zwei Übel des Brustkrebses gleichzeitig bekämpfen, hoffen die Forscher. Und hoffen dabei, dass weitere Forschung einmal nicht beweist, dass leider alles doch noch etwas komplizierter ist.
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