Haie: Megalodon war kein kaltblütiger Jäger
Megalodon war einer oder vielleicht sogar der größte Räuber in den Meeren der Erde. Selbst Fleischfresser, die eigentlich an der Spitze der Nahrungskette stünden, waren vor ihm nicht sicher. Die größten Exemplare des Hais schwammen wohl in kalten Meeresregionen. Doch selbst dort gelang es ihnen, ihre Körpertemperatur deutlich nach oben zu steigern, um agil zu bleiben. Das zeigt eine Studie von Robert Eagle von der University of California in Los Angeles und seinem Team in »PNAS«.
Nach einer Isotopenanalyse im Schmelz verschiedener Megalodonzähne folgert die Arbeitsgruppe, dass Haie eine Körpertemperatur aufrechterhalten konnten, die rund sieben Grad Celsius höher war als das umgebende Wasser. Dieser Temperaturunterschied ist größer als bei anderen Haien, die neben dem Megalodon lebten, und ausreichend, um den Riesen als Warmblüter einzustufen. Die Informationen lieferte die Isotopenzusammensetzung von Apatit, das einen wichtigen Bestandteil der Zähne ausmacht. Je nach Vorkommen leichter und schwerer Kohlen- und Sauerstoffisotope im Apatit können Wissenschaftler Aussagen über die Umgebung und Lebensweise der Tiere treffen. Im Fall der Haie lässt sich damit sogar auf die Körpertemperatur der Fische zurückschließen.
Die meisten fossilen und modernen Haie schaffen es nicht, eine Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, die wesentlich höher ist als die Temperatur des umgebenden Meerwassers. Bei ihnen spiegeln die Isotope im Apatit deshalb die Verhältnisse im Ozean wider. Bei warmblütigen Tieren hingegen zeichnen diese Isotope die Wirkung der vom Tier produzierten Körperwärme auf, was zu markanten Unterschieden in den Isotopenverhältnissen führt. In den Zähnen werden also höhere Temperaturen »aufgezeichnet«, als sie damals im Meer herrschten. Über einen Vergleich mit anderen Haiarten der damaligen Zeit konnten Eagle und Co ermitteln, um wie viel wärmer Megalodons Blut gewesen sein musste.
Wie heutige Weiße Haie oder Drescherhaie gehörte der Megalodon zur Gruppe der Makrelenhaiartigen, die ihre Körpertemperatur zumindest teilweise steuern können, während die meisten anderen Fische Kaltblüter sind und von der Umgebungstemperatur abhängen. Im Gegensatz zu Säugetieren speichern Haie allerdings ihre von Muskeln erzeugte Wärme und sind nicht dauerhaft warmblütig wie etwa Säugetiere. Haie werden daher als mesotherm eingestuft.
Der wärmere Körper sorgte dafür, dass Megalodon schneller schwimmen und in kältere Gewässer vordringen konnte als andere Haie: Faktoren, die seine weltweite Ausbreitung begünstigten. Als sich die Bedingungen jedoch änderten, bildete dieser Vorteil rasch einen Nachteil für die Spitzenprädatoren. Um ihren Stoffwechsel und ihr warmes Blut aufrechtzuerhalten, benötigten die Haie große Mengen an energiereicher Nahrung, etwa in Form von Kleinwalen. Während des Pliozäns vor rund 3,5 Millionen Jahren kam es jedoch zu einem starken Klimawandel mit globaler Abkühlung, was auch die Meeresökosysteme und die Lebewesen darin stark veränderte.
Der Mangel an passendem Futter könnte deshalb das Aussterben des Megalodons eingeleitet haben. Zudem verschärfte sich die Konkurrenz mit kleineren Arten wie dem Weißen Hai (Carcharodon carcharias). Im Gegensatz zum bis zu 20 Meter langen Megalodon erreicht er nur ein Drittel dieser Ausmaße, doch macht ihn das auch flexibler. Fossilien legen nahe, dass der Weiße Hai vor ungefähr sechs Millionen Jahren im Bereich des Pazifischen Ozeans entstand, sich dann vor vier Millionen Jahren weltweit ausbreitete und damit in Konkurrenz zu seinem gewaltigen Verwandten brachte. Weiße Haie sind relative Nahrungsopportunisten, die aktiv jagen, aber Aas nicht verschmähen. Da sie kleiner und wendiger sind, benötigen sie weniger Nahrung und können sich mit ebenfalls kleinerer Beute zufriedengeben. Als die Hauptnahrung der Megalodone knapp zu werden begann, waren die Weißen Haie im Vorteil und verschärften den Futtermangel der Verwandtschaft – womöglich bis zu dessen Verschwinden.
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