Wölfe und Hunde: Halbwilde Wölfe schocken Wissenschaftler
Eines der Lieblingsforschungsgebiete des besten Freundes des Hundes sind Wölfe – wobei neben allerlei faszinierenden Fakten vor allem die Unterschiede der wilden und der domestizierten Form von Canis lupus gerne in den Blick genommen werden. Dabei kommt dann etwa heraus, dass Wölfe sozialer und toleranter sind als Hunde, diese allerdings genetisch bedingt freundlicher – und unklar bleibt, ob einer der beiden Gattungsvertreter schlauer sein könnte als der andere. Recht sicher waren die Forscher aber, dass Hunde zumindest ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber ihren wilden Verwandten haben: Sie holen Stöckchen, Wölfe nicht. Nun ja: stimmt nicht, wie ein Team von Wolfsforschern selbst überrascht feststellt und im Fachmagazin »iScience« beschreibt.
Die Wissenschaftler um Christina Hansen Wheat von der Universität Stockholm forschen seit einiger Zeit über das Sozialverhalten von Grauwölfen – unter anderem an Tieren, die sie als Jungtiere aus Wildgehegen in ganz Europa nach Schweden holen, wo diese in einem Waldgehege mit guten Beobachtungsmöglichkeiten dann im Rudel groß werden. Zuvor wurden die Wölfe allerdings an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt: Schon zehn Tage alte Wolfswelpen verbrachten viel Zeit mit den Pflegern, die sie unter anderem auch nachts mit der Milchflasche fütterten.
© Christina Hansen Wheat, Stockholm University
Ein Wolf will spielen …
Hier kann man dem jungen »Sting« beim Apportieren zuschauen.
Als die Wölfe acht Wochen alt und an Menschen halbwegs gewöhnt waren, wurden sie einem Test unterzogen: Stöckchenholen. Dazu ließen die Wissenschaftler die Tiere mit einem fremden Pfleger in einem Raum allein – der nach ein paar Minuten Eingewöhnungszeit dann auffordernd einen Tennisball wegrollen ließ. Hunde reagieren bei einem solchen Test vorhersehbar: Sie apportieren. Wölfe würden das nach allem, was man bisher zu wissen glaubte, nie tun: Die geselligen Wildtiere interagieren untereinander zwar vielfältig und spielerisch sozial, sollten aber keinerlei Verständnis für eine soziale Interaktion mit dem Menschen haben. Einige der jungen schwedischen Grauwölfe hielten sich in den Tests allerdings nicht an dieses althergebrachte Expertenwissen: So brachten die Jungtiere Lemmy und Elvis den dreimal geworfenen Ball immerhin zweimal zurück zum Experimentator, der besonders spielfreudige Sting gleich dreimal. Die meisten anderen Wölfe ignorierten den Tennisball dagegen wie erwartet.
© Christina Hansen Wheat, Stockholm University
… ein anderer nicht.
Typischer verhält sich der Wolfwelpe »Elvis«, der hier zwar mit dem Ball spielt, ihn dem anwesenden Menschen dann aber nicht zurückbringt.
Trotzdem: Die Forscher aus Schweden sind die ersten, die in einem (zugegeben recht kleinen) Experiment dokumentieren, dass Wölfe der zwischenartlichen Interaktion nicht ganz grundsätzlich abgeneigt sind. Das bedeute unter anderem, dass Wölfe soziale und kommunikative Signale von Menschen erkennen und deuten können, finden die schwedischen Forscher. Und so ganz überraschend sollte das auch nicht sein: Irgendwie müssen Menschen einst die ersten halbwegs zugänglichen Wölfe ausgewählt und allmählich domestiziert haben, um nach Generationen allmählich Hunde aus ihnen zu machen. Unklar bleibt allerdings, ob man das Tennisball-Apportieren der Wölfe wirklich als Spiel zwischen Mensch und Tier deuten kann: Als heranwachsendes Raubtier könnten die Tiere auch einfach ihren Jagdinstinkt getestet haben, um dann – mit Hilfe der Experimentatoren – zu lernen, wie man dieses Erlebnis wiederholt. Ganz anders dürften die ersten Begegnungen von Mensch und Hundevorläufer irgendwann und irgendwo wohl auch nicht verlaufen sein.
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