Verhaltenspsychologie: Handeln ist ein Wir und nicht ein Ich
In der Tierwelt überlebt, wer sich mit anderen zusammentut, gemeinsam jagt oder sich so gegen Angreifer schützt. Wir hingegen kooperieren auch, wenn wir dadurch keinen eigenen Vorteil haben. Ist dies nun eine typisch menschliche Ader oder sind freiwillige Helfer auch in der Tierwelt zu finden?
Der alten Dame von nebenan tragen wir die schweren Taschen drei Stockwerke hoch, und wir spenden Blut und Geld. Wir treiben manchmal sogar enormen Aufwand, damit andere profitieren. Zeit ihres Lebens lehnte sich zum Beispiel die "Lady mit der Lampe" – die Krankenschwester Florence Nightingale – für das Wohl anderer gegen familiäre und gesellschaftliche Zwänge auf.
Wann aber entsteht bei uns der Impuls, anderen zu helfen ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Dem gingen Felix Warneken und Michael Tomasello vom Max-Plack-Institut in Leipzig auf den Grund. Sie ließen Babys einfache Situationen beobachten, in denen Erwachsene allein nicht weiter zu kommen schienen [1].
Zum Beispiel hingen die Forscher in unmittelbarer Nähe der Kinder Wäsche auf und ließen "versehentlich" eine Klammer fallen. Zunächst reckten sie sich nach ihr, dann blickten sie Hilfe suchend um sich, baten jedoch niemals direkt um Untersützung. Von dieser vertrauten Situation – alle Kinder hatten ihre Eltern schon einmal Wäsche aufhängen gesehen – arbeiteten sich die Wissenschaftler zu Komplizierterem vor: "Versehentlich" ließen sie einen Gegenstand durch einen Schlitz in einen Kasten fallen.
Erstaunlicherweise boten schon 18 Monate alte Babys den Forschern spontan ihre Hilfe an und hoben die Klammer auf oder pulten besagten Gegenstand wieder aus dem Kasten heraus. In 84 Prozent aller Fälle wurden die Windelzwerge sogar schon aktiv, bevor die Wissenschaftler Augenkontakt mit ihnen hatten. Hatten die Forscher ihre Lage offenkundig mit Absicht herbeigeführt, blieben die Kleinen untätig.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass uns der Sinn für uneigennützige Hilfeleistung angeboren ist. Wie ist das aber bei unseren nächsten Verwandten? Scheinbar ähnlich, denn auch Schimpansenkinder eilten den Forschern zu Hilfe. Zumindest beim einfacheren Wäscheklammerfall.
In Melis Versuchen konnten die Tiere nur dann an ein mit Futter beladenes Brett gelangen, wenn sie gleichzeitig an zwei Seilenden zogen. Andernfalls hätten sie das Tau einfach nur aus seinen Schlaufen herausgerissen. Wenn sie nicht beide Seilenden zu fassen bekamen, machten sich die Versuchstiere gezielt auf den Weg, Hilfe zu suchen.
Fing dann einer allein an, am Seil zu ziehen, ging die Sache schief. Packte man jedoch gemeinsam an, führte das praktisch immer zum Futtervergnügen. Nach anfänglichen Misserfolgen mit ungeduldigen Alleingängern suchten sich die Tiere gezielt die helfenden Hände, die sie zum Ziel brachten. Sie hatten gelernt, wer der jeweils beste Helfer war und dass sie auf den jeweiligen Partner warten mussten, um ihr Ziel zu erreichen.
Allerdings kommt bei erwachsenen Schimpansen immer erst das Fressen und dann die Moral. Laut einer im Januar veröffentlichten Studie von Forscherkollege Keith Jensen leisten unsere haarigen Vettern nur dann Hilfe, wenn sie sich einen eigenen Vorteil versprechen. Ansonsten ist es ganz schnell vorbei mit ihrer Kooperationsbereitschaft [3].
Können sie beispielsweise frei über die Futterverteilung für andere Artgenossen entscheiden, verhalten sich erwachsene Schimpansen wie beim Münzen werfen: Obwohl es sie nichts kostet entscheiden sie völlig wahllos, ihren Artgenossen den Schmaus zu ermöglichen oder sie leer ausgehen zu lassen.
Das spricht eher dafür, dass es Schimpansen völlig egal ist, ob es den Artgenossen gut geht, solange sie individuell nicht betroffen sind. Ihre vertrauten Gesichter verlocken uns dennoch imer wieder zu dem Gedanken, sie könnten sich wie wir in die Gefühle und Situation anderer hineinversetzen.
Ob vorher oder hinterher: Im Vergleich zu unseren haarigen Vettern entfaltet sich bei uns der Sinn für Mitgefühl besonders gut. Besonders treffend formulierte es die Denkerin Hanna Arendt: "Handeln ist immer ein Wir und nicht ein Ich."
Wann aber entsteht bei uns der Impuls, anderen zu helfen ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Dem gingen Felix Warneken und Michael Tomasello vom Max-Plack-Institut in Leipzig auf den Grund. Sie ließen Babys einfache Situationen beobachten, in denen Erwachsene allein nicht weiter zu kommen schienen [1].
Zum Beispiel hingen die Forscher in unmittelbarer Nähe der Kinder Wäsche auf und ließen "versehentlich" eine Klammer fallen. Zunächst reckten sie sich nach ihr, dann blickten sie Hilfe suchend um sich, baten jedoch niemals direkt um Untersützung. Von dieser vertrauten Situation – alle Kinder hatten ihre Eltern schon einmal Wäsche aufhängen gesehen – arbeiteten sich die Wissenschaftler zu Komplizierterem vor: "Versehentlich" ließen sie einen Gegenstand durch einen Schlitz in einen Kasten fallen.
Erstaunlicherweise boten schon 18 Monate alte Babys den Forschern spontan ihre Hilfe an und hoben die Klammer auf oder pulten besagten Gegenstand wieder aus dem Kasten heraus. In 84 Prozent aller Fälle wurden die Windelzwerge sogar schon aktiv, bevor die Wissenschaftler Augenkontakt mit ihnen hatten. Hatten die Forscher ihre Lage offenkundig mit Absicht herbeigeführt, blieben die Kleinen untätig.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass uns der Sinn für uneigennützige Hilfeleistung angeboren ist. Wie ist das aber bei unseren nächsten Verwandten? Scheinbar ähnlich, denn auch Schimpansenkinder eilten den Forschern zu Hilfe. Zumindest beim einfacheren Wäscheklammerfall.
"Geht es ums Futter, entpuppen sich auch erwachsene Schimpansen als äußerst talentierte Helfer"
(Alicia Melis)
"Geht es ums Futter", so Alicia Melis, ebenfalls aus Leipzig, "entpuppen sich auch erwachsene Schimpansen als äußerst talentierte Helfer. Sie erkennen, wenn sie selbst oder Artgenossen Hilfe benötigen. Sie sind sich ihrer eigenen Rolle und derer der anderen bewusst" [2]. (Alicia Melis)
In Melis Versuchen konnten die Tiere nur dann an ein mit Futter beladenes Brett gelangen, wenn sie gleichzeitig an zwei Seilenden zogen. Andernfalls hätten sie das Tau einfach nur aus seinen Schlaufen herausgerissen. Wenn sie nicht beide Seilenden zu fassen bekamen, machten sich die Versuchstiere gezielt auf den Weg, Hilfe zu suchen.
Fing dann einer allein an, am Seil zu ziehen, ging die Sache schief. Packte man jedoch gemeinsam an, führte das praktisch immer zum Futtervergnügen. Nach anfänglichen Misserfolgen mit ungeduldigen Alleingängern suchten sich die Tiere gezielt die helfenden Hände, die sie zum Ziel brachten. Sie hatten gelernt, wer der jeweils beste Helfer war und dass sie auf den jeweiligen Partner warten mussten, um ihr Ziel zu erreichen.
Allerdings kommt bei erwachsenen Schimpansen immer erst das Fressen und dann die Moral. Laut einer im Januar veröffentlichten Studie von Forscherkollege Keith Jensen leisten unsere haarigen Vettern nur dann Hilfe, wenn sie sich einen eigenen Vorteil versprechen. Ansonsten ist es ganz schnell vorbei mit ihrer Kooperationsbereitschaft [3].
Können sie beispielsweise frei über die Futterverteilung für andere Artgenossen entscheiden, verhalten sich erwachsene Schimpansen wie beim Münzen werfen: Obwohl es sie nichts kostet entscheiden sie völlig wahllos, ihren Artgenossen den Schmaus zu ermöglichen oder sie leer ausgehen zu lassen.
Das spricht eher dafür, dass es Schimpansen völlig egal ist, ob es den Artgenossen gut geht, solange sie individuell nicht betroffen sind. Ihre vertrauten Gesichter verlocken uns dennoch imer wieder zu dem Gedanken, sie könnten sich wie wir in die Gefühle und Situation anderer hineinversetzen.
"Handeln ist ein Wir und nicht ein Ich"
(Hanna Arendt)
Warum die Schimpansenkinder Warneken und Tomasello in ihren Versuchen halfen, ist unklar. Haben Menschen und Schimpansen die Anlage zu selbstlosem Verhalten möglicherweise doch von einem gemeinsamen Vorfahren geerbt, bevor sie sich vor sechs Millionen Jahren auseinander entwickelten? Nach Jensens Ergebnissen hätte sich das Samariterverhalten erst nach der Trennung von den Schimpansen entwickelt. (Hanna Arendt)
Ob vorher oder hinterher: Im Vergleich zu unseren haarigen Vettern entfaltet sich bei uns der Sinn für Mitgefühl besonders gut. Besonders treffend formulierte es die Denkerin Hanna Arendt: "Handeln ist immer ein Wir und nicht ein Ich."
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.