Amphibiensterben: Harlekine vor dem Aus
Seit den 1990er Jahren beobachten Naturschützer mit großer Sorge, wie die Zahl der Amphibien weltweit dramatisch schrumpft und Arten selbst in naturnahen Regionen aussterben. Umweltgifte, Infektionskrankheiten, Lebensraumzerstörung, Klimawandel, UV-Strahlung - was tötet die feuchtigkeitsliebenden Vierbeiner? Ein plausibles Modell zeigt, wie einzelne Faktoren in einem fatalen Räderwerk ineinander greifen.
Urig-knorrige Baumgestalten, die Krone im Nebel verborgen, undurchdringliches, tropfenschüttelndes Dickicht, die versierten Sänger des Waldes in feuchter Kulisse verbergend. Mit viel Glück schwirrt ein Kolibri vorbei – eher aber finden sie sich an den eingerichteten Futterstellen ein. Der suchende Blick ins tiefere Grün – eine Goldkröte (Bufo periglenes)? Fehlanzeige. Ein Monteverde-Harlekinfrosch (Atelopus sp.)? Ebenfalls. Es wäre ein unglaubliches Glück, die bunten, tagaktiven Krötenarten in den Nebelwäldern des Monteverde-Naturreservats in Costa Rica zu sehen – sie gelten seit Ende der 1980er Jahren als ausgestorben.
Oder anders gesagt: Es gibt viele mögliche und regional unterschiedliche Gründe. In manchen Gebieten macht Frosch, Kröte und Co der Ausdehnungsdrang des Menschen zu schaffen, manchmal verstärkt durch Düngemittel oder Pestizide, denen die Tiere mit ihrer durchlässigen Haut nichts entgegensetzen können. In anderen Regionen scheint die Sonneneinstrahlung die Kaulquappen zu schädigen, die wegen mangelnder Niederschläge nicht mehr in tieferem Wasser, sondern nur noch in flachen Pfützen ihr jugendliches Dasein fristen und zusätzlich knappes Futter teilen müssen – so ihnen ihr feuchtes Heim nicht sogar zu früh austrocknet. Gelegentlich machen eingeschleppte Neubürger den Alteingesessenen das Leben zu schwer. Und dazu kommen noch rätselhafte Erkrankungen, die schwere Missbildungen hervorrufen, und Pilzinfektionen, welche bei den womöglich durch den Umweltstress schon geschwächten Tieren leichtes Spiel haben.
Ein Pilz ist es auch, den Alan Pounds, Wissenschaftler im Monteverde-Reservat, und seine Kollegen besonders im Blick hatten. Batrachochytrium dendrobatidis, so der wissenschaftliche Name des Übeltäters, wurde womöglich in die Neue Welt eingeschleppt, als Krallenfrösche für Schwangerschaftstests in Mode waren und weltweit gehandelt wurden. Er traf auf eine völlig unvorbereitete Fauna, die er seitdem nachweislich dezimiert. Doch standen die Forscher vor einem Paradox: Das letzte Lebenszeichen einzelner Spezies fanden Forscher meist nach einem besonders warmen Vorjahr – B. dendrobatidis jedoch mag es eher kühl.
Des Rätsels Lösung entdeckten Pounds und sein Team, als sie regionale Klimadaten mit den Verbreitungsnachweisen für Atelopus-Spezies verglichen. Zuvor hatten sie festgestellt, dass der größte Artenverlust zwischen 1000 und 2400 Metern über dem Meeresspiegel auftrat – ausgerechnet in den Nebelwaldregionen, die sich durch ihre besondere Vielfalt auszeichnen. Darunter und darüber jedoch sank das Risiko wieder. Offenbar also bevorzugt der Pilz die gemäßigteren Gegenden, während es ihm im Tiefland zu warm und in der Höhe zu kalt ist.
Gleichzeitig aber steigern kletternde Temperaturen auch die Verdunstung, und mehr Wasserdampf gelangt in die nach oben verschobene Wolkenschicht. Hier nun kommt es zum umgekehrten Effekt: mehr Nebel und Wolken als früher. Diese haben klimatisch gesehen einen ausgleichenden Effekt, indem sie nachts die Wärmeabstrahlung hemmen und so die Temperaturen milder machen, während sie tagsüber die Sonneneinstrahlung abblocken und damit zu große Hitze vermeiden.
Für B. dendrobatidis entstehen so paradiesische Zustände – schließlich fühlen sie sich bei 17 bis 25 Grad Celsius am wohlsten. Das neue Mittelmaßklima ohne Extreme fördert ihr Wachstum und ihre Ausbreitung, denn befallene Frösche finden beispielsweise keine Sonneninseln mehr, wo die Wärme dem Pathogen den Garaus macht, und auch nächtliche Kälte bleibt aus. Der Pilz gehört damit zu den eindeutigen Gewinnern in Sachen globale Erwärmung. Für die kleinen Harlekine und ihre Verwandten aber endet das Einheizen unseres Planeten in einer tödlichen Einbahnstraße.
Mit ihnen verschwanden allein zwei Drittel der insgesamt etwa 110 Atelopus-Arten in den Tropen Mittel- und Südamerikas. Und noch unzählige Verwandte mehr: Einer globalen Studie zufolge ist ein Drittel aller Amphibien vom Aussterben bedroht, die Hälfte befindet sich im Rückgang, und 122 Spezies scheinen seit den 1980er Jahren ganz verschwunden zu sein. Das große Dilemma ist: Keiner weiß wirklich, warum.
Oder anders gesagt: Es gibt viele mögliche und regional unterschiedliche Gründe. In manchen Gebieten macht Frosch, Kröte und Co der Ausdehnungsdrang des Menschen zu schaffen, manchmal verstärkt durch Düngemittel oder Pestizide, denen die Tiere mit ihrer durchlässigen Haut nichts entgegensetzen können. In anderen Regionen scheint die Sonneneinstrahlung die Kaulquappen zu schädigen, die wegen mangelnder Niederschläge nicht mehr in tieferem Wasser, sondern nur noch in flachen Pfützen ihr jugendliches Dasein fristen und zusätzlich knappes Futter teilen müssen – so ihnen ihr feuchtes Heim nicht sogar zu früh austrocknet. Gelegentlich machen eingeschleppte Neubürger den Alteingesessenen das Leben zu schwer. Und dazu kommen noch rätselhafte Erkrankungen, die schwere Missbildungen hervorrufen, und Pilzinfektionen, welche bei den womöglich durch den Umweltstress schon geschwächten Tieren leichtes Spiel haben.
Ein Pilz ist es auch, den Alan Pounds, Wissenschaftler im Monteverde-Reservat, und seine Kollegen besonders im Blick hatten. Batrachochytrium dendrobatidis, so der wissenschaftliche Name des Übeltäters, wurde womöglich in die Neue Welt eingeschleppt, als Krallenfrösche für Schwangerschaftstests in Mode waren und weltweit gehandelt wurden. Er traf auf eine völlig unvorbereitete Fauna, die er seitdem nachweislich dezimiert. Doch standen die Forscher vor einem Paradox: Das letzte Lebenszeichen einzelner Spezies fanden Forscher meist nach einem besonders warmen Vorjahr – B. dendrobatidis jedoch mag es eher kühl.
Des Rätsels Lösung entdeckten Pounds und sein Team, als sie regionale Klimadaten mit den Verbreitungsnachweisen für Atelopus-Spezies verglichen. Zuvor hatten sie festgestellt, dass der größte Artenverlust zwischen 1000 und 2400 Metern über dem Meeresspiegel auftrat – ausgerechnet in den Nebelwaldregionen, die sich durch ihre besondere Vielfalt auszeichnen. Darunter und darüber jedoch sank das Risiko wieder. Offenbar also bevorzugt der Pilz die gemäßigteren Gegenden, während es ihm im Tiefland zu warm und in der Höhe zu kalt ist.
Doch warum fordert er dann ausgerechnet in Zeiten so viele Opfer, in denen die Temperaturzunahme in den Tropen dreimal so hoch liegt wie im Vergleich zum Durchschnittswert für das gesamte Jahrhundert? Wie Simulationen zeigten, kletterte die Wolkengrenze für die an der Gebirgskette aufsteigenden Passatwinde – wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen, bevor der Dampf kondensiert. Die niedriger liegenden Bereiche von Monteverde leiden daher zunehmend unter Nebelmangel und regelrechten Dürre-Tagen – fatal für die Lebensgemeinschaft, die auf die hohe Luftfeuchtigkeit angewiesen ist.
Gleichzeitig aber steigern kletternde Temperaturen auch die Verdunstung, und mehr Wasserdampf gelangt in die nach oben verschobene Wolkenschicht. Hier nun kommt es zum umgekehrten Effekt: mehr Nebel und Wolken als früher. Diese haben klimatisch gesehen einen ausgleichenden Effekt, indem sie nachts die Wärmeabstrahlung hemmen und so die Temperaturen milder machen, während sie tagsüber die Sonneneinstrahlung abblocken und damit zu große Hitze vermeiden.
Für B. dendrobatidis entstehen so paradiesische Zustände – schließlich fühlen sie sich bei 17 bis 25 Grad Celsius am wohlsten. Das neue Mittelmaßklima ohne Extreme fördert ihr Wachstum und ihre Ausbreitung, denn befallene Frösche finden beispielsweise keine Sonneninseln mehr, wo die Wärme dem Pathogen den Garaus macht, und auch nächtliche Kälte bleibt aus. Der Pilz gehört damit zu den eindeutigen Gewinnern in Sachen globale Erwärmung. Für die kleinen Harlekine und ihre Verwandten aber endet das Einheizen unseres Planeten in einer tödlichen Einbahnstraße.
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