Direkt zum Inhalt

Optik: Harry Potters Tarnumhang für Mikrowellen

Fliegen können, in die Zukunft schauen, unsichtbar sein - drei der größten Träume von uns Menschen. Den ersten haben wagemutige Pioniere bereits vor über 100 Jahren verwirklicht. Am zweiten versuchen sich jeden Tag aufs Neue Meteorologen und Börsenspekulanten. Und sogar beim dritten gibt es zaghafte Fortschritte: Im Bereich der Mikrowellen macht der Prototyp eines "Tarnumhangs" bereits unsichtbar. Wenigstens ein bisschen.
Mitunter gelingt es Science, die Fiction in unsere Realität zu holen. Oder Zauberhaftes handhabbar für Muggles zu machen. Zum Beispiel Tarnvorrichtungen, die unsichtbar machen.So etwas gibt es bislang nur bei Star Trek und Harry Potter. Jedenfalls im Moment. Dass dies nicht so bleiben muss, haben Wissenschaftler theoretisch schon vor Jahren ausgetüftelt. Im Prinzip müsste man nämlich nur alles Licht, das auf einen Körper fallen möchte, um diesen herumlenken. Durch geeignete Wahl der Brechungsindizes und magnetischen Leitfähigkeiten solch eines "Tarnmantels" wäre alles darin verborgene unsichtbar wie reine Luft. Das Licht flösse einfach herum wie Wasser um eine schnittige Bootsform.

Der Haken an dieser Theorie war, dass die Praxis lange Zeit keine geeigneten Materialien vorweisen konnte, mit denen sich derartige Kunststückchen vollführen ließen. Kein Glas und kein Kunststoff bot die geforderte Variabilität der Eigenschaften. Und so ist es bis heute geblieben. Mit dem Unterschied, dass sich Forscher heutzutage weniger mit den chemischen Zusammensetzungen ihrer Stoffe beschäftigen als vielmehr mit deren physikalischem Verhalten. In Kombinationen und mit winzigen räumlichen Strukturen versehen zeigen so genannte Metamaterialien plötzlich Fähigkeiten, die den reinen, schlichten Substanzen nicht gegeben waren. So auch die weitgehende Kontrolle über elektromagnetische Wellen, zu denen ja unter anderem sichtbares Licht zählt.

Den Tarnmantel aus diesen Hightech-Kombinationen vor Augen haben sich jetzt Wissenschaftler um David Smith von der Duke Universität an die Aufgabe gewagt, einen ersten Prototypen zu entwickeln und zu testen. Allerdings kein wehendes Tuch, wie wir es aus Hogwarts kennen, und auch keine energiefressende Riesenanlage a la Raumschiff Enterprise, die ganze Schlachtenkreuzer schluckt. Lediglich ein bescheidener Zylinder mit weniger als zehn Zentimetern Durchmesser und etwa einem Zentimeter Höhe. Aber er kann einen kleineren Kupferzylinder in seiner Mitte sowie sich selbst verschwinden lassen. Nun ja, zumindest ein bisschen und das auch nur im Bereich von Mikrowellen.

Dennoch ist die Tarnapparatur der Forscher ein eindrucksvoller Beweis für die Umsetzbarkeit der Metamaterial-Methode. Nicht mehr als viele, viele kleine hufeisenförmige Kupferplättchen auf zehn ineinander geschachtelten Kunststoffringen haben erkennbar verhindert, dass der Aufbau die Mikrowellen reflektiert oder nach vorne gestreut hat. Stattdessen wurden die eintreffenden Wellenfronten gespalten und an den Seiten entlanggeführt. Hinter dem Tarnzylinder vereinigten sie sich wieder und zogen im Gleichschritt mit den ungestörten Nachbarn weiter. Für einen Empfänger hinter dem Aufbau war lediglich zu erkennen, dass die Intensität der Strahlung abgeschwächt war, weil die Tarnvorrichtung einen Teil der Energie absorbiert hat.

Im Prinzip könnte der Zylinder für Mikrowellen fast perfekt arbeiten, doch diese Behauptung experimentell zu beweisen, haben sich die Wissenschaftler für die Zukunft vorgenommen. Dann wollen sie auch in drei Raumdimensionen tarnen, wohingegen ihre aktuelle Vorrichtung nur zweidimensional schützt.

Ob jedoch irgendwann der Schritt aus dem Reich der Mikrowellen in das sichtbare Licht gelingen wird, bleibt fraglich. Dafür müssten die Materialien ein breites Band von Frequenzen gleichzeitig manipulieren, und das liegt gegenwärtig noch weit außerhalb der Möglichkeiten von Meta-Substanzen. Ein echter Tarnumhang könnte darum für lange Zeit weiterhin den Zauberern und Romulanern vorbehalten bleiben. Aber auch auf einen handlichen Mikrowellenschirm könnten segensreiche Anwendungen warten. Man denke alleine an die vielen Hamster und Meerschweinchen, denen nach jedem Bad eine Schnelltrocknung in der Mikrowelle droht. Dort könnte die Technik retten, wen mangelndes Technikverständnis in arge Nöte bringt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.