News: Hart im Nehmen
Sein Ziel war es, vor allem die Geophysik der Asteroide sowie die Evolution kleinerer Himmelskörper im Sonnensystem zu verstehen. Doch die Ergebnisse haben auch Konsequenzen für die Frage, ob wir wirklich verhindern könnten, daß ein Asteroid mit der Erde kollidiert. Bisher dachte man, den Kurs eines Asteroiden, der auf uns zusteuert, mit Nuklearexplosionen zu ändern. Doch Asphaug fand heraus, daß einige Arten von Asteroiden eine solche mächtige Explosion einfach absorbieren könnten – mit geringem oder gar keinem Effekt. "Es ist viel schwieriger als wir dachten, diese Asteroiden umzulenken", erklärte er. "Um zu entscheiden, ob Nuklearsprengköpfe einen Asteroiden abwenden können, müssen wir noch weiter arbeiten."
Früheren Untersuchungen zufolge sind viele der Asteroiden in unserem Sonnensystem angesammelte Trümmer, die von vorigen Kollisionen übrig geblieben sind – entweder ein paar große Fragmente, die durch ihre eigene Gravitation zusammengehalten werden oder aber "Schutthaufen" aus zahlreichen kleineren Stücken. Wie die neue Studie zeigt, können sich durch die poröse Natur derartiger Asteroiden die Stoßwellen schlechter ausbreiten, wodurch ein Aufprall oder eine Explosion nur örtlich begrenzt wirkt.
Bei ihren Simulationen begannen die Forscher mit dem Computermodell eines Asteroiden mit einem Durchmesser von 1,6 km. Als Grundlage dienten die Radarbilder des erdnahen Asteroiden Castalia. Diesem erdnußförmigen Asteroiden gaben sie drei verschiedene innere Strukturen: festes Felsgestein, ein paar feste Gesteine in engem Kontakt und einen Schutthaufen, dessen Volumen zur Hälfte Poren sind. Die Forscher ließen dann jedes Modell mit einem hausgroßen Felsen zusammenstoßen, der sich mit 5 km/s bewegte. Diese Geschwindigkeit ist typisch für Kollisionen im Asteroidengürtel. Ihre Energie entspricht der 17-Kilotonnen-Hiroshima-Bombe, aber laut Asphaug sind bei gleicher Energie Zusammenstöße zerstörerischer als Explosionen.
Die Ergebnisse könnten einige der bizarren Formen und Strukturen erklären, die die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren beobachteten, als sie anfingen, detailgetreue Bilder erdnaher Asteroiden zu erhalten. Im Juni 1997 sendete zum Beispiel die die Sonde Near Earth Asteroid Rendezvous (NEAR) bemerkenswerte Bilde des Asteroiden Mathilde zur Erde zurück. Diese zeigten fünf gigantische Krater, deren Durchmesser teilweise größer ist als der Radius des Asteroiden selbst. Die Zusammenstöße, die diese enormen Krater hervorbrachten, haben den Asteroiden nicht zerbrochen, sie beseitigten oder störten auch keine vorherigen Krater und hinterließen auf Mathildes Oberfläche keine Spuren von Frakturen.
"Ein 'Schutthaufen-Modell' erklärt Himmelskörper geringer Dichte wie Mathilde sehr gut: Ein Zusammenstoß kann örtlich begrenzt verheerend sein und sich auf den Rest des Asteroiden fast gar nicht auswirken. Die Schockwelle ebbt dermaßen schnell ab, daß vielleicht ein großer Krater entsteht, ohne daß der Rest des Asteroiden dies bemerkt", sagte Asphaug.
Beim entgegengesetzten Extrem, so der Wissenschaftler, zerspringt ein fester Gesteinsasteroid in viele kleine Teile, wenn er von einem anderen Himmelsobjekt getroffen wird. Je nach der Energie des Zusammenstoßes können diese Teile zersplittern und eine Familie kleinerer Asteroiden bilden oder aber zusammenbleiben und einen Schutthaufen formen. Auch in verschieden große Stücke und gleichzeitig in Trümmer kann ein Asteroid zerbrechen.
Viele Asteroiden (wie auch Castalia) haben eine doppelt gelappte Struktur. Das weist darauf hin, daß sie aus zwei separaten Teilen bestehen, welche die Gravitation zusammenhält. Solche "binären Kontaktkörper" widerstanden in Asphaugs Simulationen den Zusammenstöße besser. Die Ursache hierfür: Die Stoßwelle wird an der Grenze zwischen den beiden Bestandteilen reflektiert. Somit könnte laut Asphaug bei einem Zusammenprall eine Seite des Doppelasteroiden auseinanderfliegen, während die andere relativ unbeschadet bleibt.
Wie diese Ergebnisse nahelegen, bestimmt das Ergebnis eines früheren Zusammenpralls die Resultate künftiger Kollisionen. "Ist ein Asteroid erst einmal zerbrochen, zeigt er sich bei nachfolgenden Kollisionen widerstandsfähiger, denn die Stoßwellen, die dabei entstehen, können sich nicht über die Bruchstellen hinweg ausbreiten", sagte Asphaug.
Gleiches würde für Explosionen gelten. Um vorauszusagen, wie eine nukleare Explosion sich auf einen bestimmten Asteroiden auswirken könnte, müßten die Wissenschaftler dessen innere Struktur kennen. Doch diese sind wahrscheinlich genauso unterschiedlich wie die äußeren Formen.
Neben der Erstellung publikumswirksamer Endzeitszenarien trägt das Studium der Asteroide auch zum Verständnis der Evolution unseres Sonnensystems bei. Die Asteroiden sind vermutlich repräsentativ für jene kleinen Himmelskörper, die letztlich zu Planeten werden, indem sie zusätzliche Materie ansammeln. Im Verlauf des Prozesses müssen viele Kollisionen zwischen kleineren Körpern stattgefunden haben, und Asphaug versucht gegenwärtig herauszufinden, welche Faktoren bei einer Kollision günstig auf die Massenansammlung (was das Wachstum von Planeten gestattet) wirken und möglichst keine Zertrümmerung von Masse bzw. deren Verlust verursachen.
"Asteroiden sind vielleicht so etwas wie Schnappschüsse der ersten Phasen der Planetenevolution", sagte er. "Wir befinden uns direkt in einer Epoche von Entdeckungen, in der wir erst anfangen zu beobachten, wie Asteroiden aussehen und zu verstehen, wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind."
Und zu der Gefahr aus dem Weltall meint er: "Asteroide sind keine imminente Bedrohung, und mich beunruhigt viel mehr, was dem Planeten durch die Menschen angetan wird. Doch sollten wir je einen Asteroiden oder Kometen auf Kollisionskurs bemerken, wäre es am besten, unseren Feind zu kennen, so daß wir ihn kriegen können, bevor er uns kriegt."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 16.3.1998
"Die Suche nach Strichen im Bild" - Spektrum Ticker vom 13.3.1998
"Das wird knapp..." - Spektrum Ticker vom 27.11.1997
"Erster Fund eines Meteoriteneinschlags im Ozean" - Spektrum der Wissenschaft 11/96, Seite 92
Kometen und Planetoiden – Risiko für die Erde?
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