Ökologie: Hasen entwickeln saisonale Fleischeslust
Auf den ersten Blick sehen Schneeschuhhasen aus wie potenzielle Kuscheltiere mit großen Füßen und kuscheligem Fell. Doch im harschen kanadischen Winter legen sie ein Verhalten an den Tag, das so gar nicht zu ihrem Image passen mag: Wenn Frost und Schnee den Zugang zu pflanzlicher Kost einschränken, fressen die Tiere, was sie bekommen können – darunter auch die Überreste anderer Tierarten, wie Michael Peers von der University of Alberta mit seinem Team in »BioOne« dokumentieren können. Unter anderem mit Hilfe von Kamerafallen wiesen die Biologen nach, dass die Hasen zumindest in einem Teil des kanadischen Yukon-Territoriums Aas nicht verschmähen und regelmäßig fressen.
Die Bilder zeigten verschiedene Schneeschuhhasen, die im tiefen Winter an den Kadavern von Artgenossen, Raufußhühnern, Tauchern (eine Vogelfamilie) und sogar an den Überresten eines Luchses nagten – die Katzen gehören in lebendem Zustand zu den wichtigsten Fressfeinden der Hasen. Vor diesen Aufnahmen existierten nur anekdotische Hinweise auf dieses ungewöhnliche Verhalten, das Peer und Co erstmals bei Schneeschuhhasen belegen konnten. Von rund 160 Kadavern wurden laut den Daten mindestens 20 auch von den Hasen besucht und angeknabbert, wobei die Überreste von Raufußhühnern am beliebtesten waren. Besonders begehrt neben dem Fleisch waren aus noch unbekannten Gründen auch die Federn der Tiere, die womöglich bei der Verdauung helfen.
Am häufigsten wiesen die Wissenschaftler den Aaskonsum zwischen November und Februar nach, im Frühjahr wurde kein einziger Hase an totem Fleisch fotografiert. Im Winter herrschen in der Region Dauerfrost und liegt oft Schnee, was den Zugang zu Pflanzennahrung erschwert. Fleisch hat zudem einen höheren Nährwert und liefert damit mehr Energie während der kräftezehrenden Wintermonate. Gänzlich ungewöhnlich ist das Verhalten für Pflanzenfresser allerdings nicht. In den letzten Jahren konnten Wissenschaftler dies bei verschiedenen Tierarten beobachten, die zuvor als reine Vegetarier galten, etwa bei Hirschen, die auf einer so genannten Leichenfarm sogar an menschlichen Knochen knabberten.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.