Haustiere: Wie der Mensch, so sein Hund
Wenn man einen Bodybuilder mit einem Zwergpudel Gassi gehen sieht, hat der Anblick eine gewisse Komik. An der Seite eines maskulinen Muskelpakets erwartet man eher einen Kampfhund – und den Pudel eher an der Leine einer grazilen älteren Dame mit Dauerwelle. Aber steckt hinter solchen Stereotypen ein wahrer Kern? Das legt zumindest eine Übersicht über 15 Studien in der Zeitschrift »Personality and Individual Differences« nahe. Darin sammelte eine Forschungsgruppe von der Universität Jena um die Psychologin Yana Bender nicht nur Belege dafür, dass sich Hund und Halter anhand von Äußerlichkeiten zuordnen lassen: Sie ähneln sich offenbar auch im Verhalten.
In einigen der Studien bekamen Versuchspersonen Fotos von Menschen und Hunden vorgelegt und sollten raten, wer zu wem gehört. Dabei standen immer zwei Alternativen zur Wahl und die Chancen für eine richtige Antwort somit bei 50/50. Doch in der Regel war die Trefferquote höher: In einer Studie gelang es in rund drei Viertel der Fälle, das richtige Pendant zu finden – aber es klappte nicht, wenn die Augen der abgebildeten Menschen verdeckt waren. In einer anderen Studie gelang die Zuordnung nur bei reinrassigen Tieren und in einer weiteren lediglich dann, wenn man nicht nach Frauen und Männern trennte – was nahelegt, dass die Zuordnung vor allem den unterschiedlichen Vorlieben der Geschlechter zu verdanken wäre. Es gab aber auch Studien, die bei Mensch und Hund konkrete gemeinsame Merkmale fanden, etwa dass langhaarige Frauen eher Hunde mit längeren Haaren oder Hängeohren hatten und kurzhaarige Frauen eher Hunde mit kurzen Haaren oder Stehohren.
Die Forschenden vermuten deshalb, dass sich die Menschen – bewusst oder unbewusst – gern für einen Hund entscheiden, der ihnen ähnlich sieht. Manche Ähnlichkeit könnte sich aber auch erst im Verlauf des Zusammenlebens entwickelt haben. So hatten übergewichtige Menschen auch eher übergewichtige Hunde, unabhängig von Geschlecht und Alter von Tier und Mensch. Die Korrelation verschwand allerdings bei gleicher Dauer der Gassirunden. Das bedeutet: Womöglich gehen übergewichtige Menschen weniger ausgiebig mit ihrem Hund spazieren, und so legt auch der Hund mit der Zeit an Gewicht zu.
Ähnlichkeiten sind mehr als nur Wunschdenken
In weiteren Studien beurteilten Versuchspersonen in Fragebögen die eigene Persönlichkeit und die ihres Hundes: Demnach sind zum Beispiel die Vierbeiner von neurotischen Menschen eher neurotisch und aggressiv, und die Tiere von extravertierten Personen reagieren weniger ängstlich auf Fremde. Es könnte natürlich sein, dass die Menschen lediglich glauben, dass ihre Hunde ihnen ähnlich sind oder dass eine Tendenz zu sozial erwünschten Antworten Scheinkorrelationen erzeugt. Eine Studie hat dieses methodische Problem gelöst und die Hunde nicht nur vom Halter selbst beschreiben lassen, sondern auch von unabhängigen Fachleuten, und hat auch auf diesem Weg Übereinstimmungen gefunden. So hatten Menschen, die sich selbst als extravertiert beschreiben, eher einen Hund, der den unabhängigen Beobachtern zufolge fremde Personen länger anschaute. Etwaige Ähnlichkeiten sind demnach mehr als nur Wunschdenken von Herrchen und Frauchen.
Die Forschenden glauben, dass Menschen einen Hund oder eine Hunderasse auf Grund bestimmter Merkmale bevorzugt auswählen. Einige Eigenschaften verändern sich zwar bei beiden mit der Zeit in der gleichen Richtung; Neurotizismus etwa nimmt im Alter ab. Aber eine parallele Entwicklung halten sie für unplausibel, weil Hunde viel schneller altern. Was eher denkbar sei: dass sich beide emotional mit der Zeit angleichen, »Koregulation« in der Fachsprache. Stress etwa kann überspringen: Ein aggressiver Hund macht seinen Halter nervös und ein neurotischer Halter seinen Hund. Umgekehrt kann ein geduldiger Mensch seinen Hund gezielt trainieren, Geduld zu entwickeln, und ein entspannter Hund kann auf seinen Menschen beruhigend wirken.
Eine EEG-Studie von 2024 verfolgte, was im Gehirn passiert, wenn ein Mensch und ein Hund einander in die Augen blicken: Ihre Hirnaktivität synchronisierte sich, und das umso mehr, nachdem sie sich ein paar Tage kannten. Besonders auffällig war der Effekt in Hirnregionen, die an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt sind. Wie die Forschungsgruppe aus China schreibt, lege die Analyse nahe, dass dabei vor allem der Mensch den Hund beeinflusst.
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