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Havanna-Syndrom: Mögliche Hirnschäden bei US-Diplomaten untersucht

Nachdem US-Diplomaten in Kuba über mysteriöse Beschwerden klagten, wurde viel über die Ursache des »Havanna-Syndroms« spekuliert. Hatte man sie gezielt mit einer neuartigen Schallwaffe angegriffen? Forschende haben die Betroffenen einem gründlichen medizinischen Check unterzogen.
Das Gebäude der US-Botschaft in Havanna, Kuba
Die US-Botschaft in Havanna, Kuba

Das Havanna-Syndrom gibt schon seit Jahren Rätsel auf und ist Quelle für viele Verschwörungstheorien: Erstmals trat das Phänomen 2016 in Kubas Hauptstadt auf. US-Diplomaten und einige ihrer Angehörigen klagten über rätselhafte Symptome: Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit waren darunter, aber auch kognitive Ausfälle wie eine verminderte Gedächtnisleistung oder schnelle Erschöpfung. Das Havanna-Syndrom sorgte für Schlagzeilen, weil die Betroffenen von seltsamen Geräuschen berichteten und die damalige US-Regierung unter Donald Trump einen gezielten Angriff mit einer neuartigen Schallwaffe oder mit Mikrowellen nicht ausschloss – womöglich verübt von kubanischen oder russischen Agenten. In den folgenden Jahren meldeten Angehörige der US-Botschaften in Wien, Berlin und Bogotá ähnliche Beschwerden.

Forschende haben 86 Betroffene des Vorfalls in Kuba über mehrere Jahre gründlich medizinisch untersucht. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Leighton Chan von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland, führte mit den Betroffenen verschiedene Hör-, Seh-, Gleichgewichts- und Bluttests durch. Zudem wurden sie zu ihren Symptomen befragt und alle Daten mit denen einer Kontrollgruppe verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass es bei den meisten Werten keine signifikanten Unterschiede gab. Lediglich bei dem Gleichgewichtstest schnitt die Havanna-Gruppe schlechter ab. Zudem berichteten sie selbst vermehrt über Symptome wie Müdigkeit, posttraumatischen Stress und Depressionen. Chan betont, dass die Symptome real seien und das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.

In einer weiteren Studie führte eine Gruppe um Carlo Pierpaoli vom National Institute of Biomedical Imaging and Bioengineering Hirnscans durch, um mögliche langfristige Gehirnschäden zu erfassen. Sie fand in den MRTs keine signifikanten Unterschiede in der Gehirnstruktur oder -funktion zwischen den Betroffenen des Havanna-Syndroms und einer Vergleichsgruppe. Pierpaoli schreibt jedoch, dass dies nicht ausschließe, dass »ein schädliches Ereignis mit Auswirkungen auf das Gehirn« stattgefunden haben könnte. Dies habe allerdings keine langfristigen Veränderungen im Gehirn verursacht.

Was genau nun also die Symptome auslöst, ist noch immer nicht abschließend geklärt: Ein im Oktober 2021 in den USA veröffentlichter Geheimbericht legte jedoch eher psychische Ursache für die Beschwerden der Betroffenen nahe. Demnach seien die gesundheitlichen Probleme Folge eines kollektiven psychischen Effekt – einer Art Massenhysterie. US-Geheimdienste kamen auch 2023 zu dem Schluss, dass kein »ausländischer Gegner« für das Havanna-Syndrom verantwortlich sei. Sie untersuchten rund 1500 Vorkommnisse in 96 Ländern. In vielen Fällen fanden sich andere mögliche Erklärungen: Vorerkrankungen der Betroffenen, schlecht funktionierende Klima- und Lüftungsanlagen sowie elektromagnetische Wellen, die von harmlosen Geräten wie einer Computermaus ausgingen. (dpa/doe)

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